Hat die Erschaffung Evas aus der Seite Adams etwas mit der Exogamie zu tun?
Das plancksche Strahlungsgesetz bezieht sich auf eine Versuchsanordnung, zu der insbesondere ein „dunkler Hohlraum“ gehört: ein von allen Seiten umschlossener Raum, in dessen Innern der gleiche Zustand bestehen soll wie außerhalb, nur daß die unmittelbare Wechselwirkung zwischen den Verhältnissen draußen und dem Geschehen im Innern ausgeschlossen werden soll, mit einer Ausnahme, deren Isolierung der Zweck der Versuchsanordnung ist: die thermische Einwirkung. Die Versuchsanordnung soll im Innern des Raumes einen Gleichgewichtszustand herstellen und stabilisieren, der nur noch von einem Parameter abhängt: von der Temperatur.
Der statistische Charakter der planckschen Strahlungsformel drückt nicht nur ihre Unabhängigkeit von der Konkretisierung mechanischer oder elektromagnetischer Prozesse aus; sie verweist auf einen Systemeffekt, auf den Systemcharakter des Erhaltungssatzes, der hier auf den Gesamtzustand im Innern des Hohlraums sich bezieht. Ob diesem Systemeffekt die mechanischen und elektromagnetischen Modelle, die unsere Vorstellung dem Gesetz zugrundelegt, wirklich zugrundeliegen, ist eine sekundäre Frage.
Beschreibt nicht Girard in seinem Konzept des „versöhnenden Opfers“ die Ursprungsgeschichte des Rechts? Wenn das Urteil „im Namen des Volkes“ gefällt wird, so ist das in dieser Urteilsformel zitierte Volk der Repräsentant der Opfernden in diesem versöhnenden Opfer, und der Verurteilte das Opfer. Aus dieser Konstellation läßt der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, sich herleiten.
Beschreibt René Girard in „Das Heilige und die Gewalt“ nicht aufs genaueste die Wolfsreligion, der auch das Christentum mit der Opfertheologie sich angeglichen hat? Als Staatsreligion hat das Christentum sich auf die Seite der Verfolger (der Wölfe) geschlagen. Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Wolfsgesicht (das Gesicht, das nicht mehr barmherzig blickt: das Gesicht des Hundes, das nach christlicher wie nach jüdischer Tradition das Zeitalter des Antichrist kennzeichnet). Nur die Kraft, die in der Lage ist, die subjektiven Formen der Anschauung wieder reflexionsfähig zu machen, ist fähig, ihre verhexende Gewalt aufzulösen.
Benennt Gott nicht am Ende des Buches Jona, mit dem Hinweis auf die 120000, die rechts und links nicht unterscheiden können, den Grund, weshalb Jona nach Tarschisch geflohen ist?
Die Bundesrepublik: Ist sie die Finsternis über dem Abgrund, in den das nationalsozialistische Deutschland sich gestürzt hat?
Staatsschutzprozesse machen eigentlich kurzen Prozeß, und sie dauern nur so lange, und sind nur deshalb so aufwendig, weil sie das vertuschen müssen.
Das merkwürdige Gefühl bei den ersten Prozeßbesuchen, daß Ankläger und Gericht sich offensichtliche unter dem Zwang sehen, das „in dubio pro reo“ auf sich selber anzuwenden.
Zu Hubertus J./JU:
– des Kaisers neue Kleider,
– der Versuch, die eigene Geschichte zu reflektieren, steht in ausgesprochenem Kontrast dazu, daß das in diesem Urteil völlig unter den Tisch gefallen zu sein scheint,
– statt dessen der infame Freispruch, das ein Licht wirft auf die instrumentalisierende Logik, die dieses Verfahren insgesamt beherrscht hat,
– nachdem es eine kritische Öffentlichkeit für diese Prozesse nicht mehr zu geben scheint („RAF-Mitglieder“, die läßt man fallen wie eine heiße Kartoffel), mußte natürlich Hubertus Janssen, der diese Rolle fast als letzter noch übernommen hat, die Infamie geradezu magnetisch anziehen.
Daß es noch einige gibt, die keine Sympathisanten der RAF sind, die aber diese Art der Prozeßführung gleichwohl erschreckt, hat das vielleicht etwas damit zu tun, daß sie den Schrecken des Faschismus nicht loswerden, mit dem diese ganze Geschichte – übrigens auf beiden Seiten der „Front“ – unendlich viel zu tun hat.
Eine wutbebende „heilige Empörung“, die Humanität und Reflexionsfähigkeit „christliches Geschwafel“ nennt, weckt nun wirklich schlimmste Erinnerungen.
Käme es nicht in der Tat darauf, das ungelöste Problem, für das die RAF steht, endlich reflexionsfähig zu machen, anstatt diese Reflexion so wütend und denunziatorisch zu vedrängen?
Ist hier nicht die JU auf einer Linie mit den Hardlinern der RAF, sind nicht beide darauf aus, diese Reflexion durch Ausgrenzung und Gegendiskriminierung zu unterbinden? Das „leider!“ der JU erschreckt mich mindestens ebensosehr wie die RAF. Hieraus höre ich den Ton der größten terroristischen Vereinigung, die es in diesem Lande gegeben hat, und deren Potential offensichtlich fortbesteht.
Einer der Effekte der Feindbildlogik ist es, daß sie, ohne es zu merken, den Feind zur Norm des eigenen Handelns macht. Feinde werden nur allzu leicht zu Doppelgängern: Jeder erkennt im andern, was er in sich selbst verdrängen muß. Der Verfolgungswahn ist ein Produkt der Unfähigkeit zur Selbstreflexion.
Wer den Feind als Wolf erfährt, wird selbst zum Wolf. Für den Wolf aber ist auch das Lamm ein Wolf, das er glaubt, zerreißen zu müssen, um sich zu verteidigen.
Ist nicht der Girard’sche Doppelgänger ein Feindbildeffekt?
29.11.1996
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