29.12.89

Die „deutsche Frage“ gleicht auch darin der „Seinsfrage“, daß sie als Teil des Mechanismus zur Produktion des pathologisch guten Gewissens sich verwenden läßt. In der „Lösung“ der „deutschen Frage“ (die bezeichnenderweise keine Antwort, sondern – wie die Judenfrage – nur eine Lösung kennt; Verwechslung von Frage und Problem: die Lösung eines Problems beantwortet nicht die Frage – vgl. hierzu Wittgensteins Bemerkungen, daß die Formulierung eines Problems die Kenntnis der Lösung voraussetzt) ist das exkulpatorische Element, die Befreiung von der Last der historischen Schuld, offensichtlich die Hauptsache. Aber diese (scheinhafte) Befreiung ist das genaue Gegenteil: die endgültige, nicht mehr auflösbare Verstrickung in den Schuldzusammenhang (das Schicksal belohnt die Guten, bestraft die Bösen; d.h. – im Umkehrschluß – die Belohnten, die Sieger, sind die Guten, die Bestraften, die Verlierer, die Bösen).

Verwechslung von Frage und Problem: Zu Problemen gibt es Lösungen, zu Fragen Antworten (Antworten sind keine Urteile?). In der Physik (Mathematik) gibt es keine Antworten, nur Lösungen. Lösungen sind Lösungen von Gleichungen oder „praktische“ Lösungen (wenn es sein muß, Endlösungen), jedenfalls das Gegenteil von Antworten. Gibt es eine „Lösung“ der „Seinsfrage“ (außer dem Frageverbot, da keine konkrete Frage dem Rang der Seinsfrage angemessen ist – Zusammenhang mit dem Antisemitismus)?


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