29.9.1995

Wodurch unterscheidet sich die Tatsache vom Faktum? Das Faktum ist das Gemachte (factum), es verweist auf des Machen Gottes, einen Aspekt seines Schöpfungshandelns. Die Tatsache ist gleichsam eine hybride Form der res factae, das mythische Gegenstück hierzu: In der unerschaffenen Welt, die außerhalb jeder Beziehung zum Handeln Gottes sich konstituiert, gibt es nur noch die weltkonstituierenden Taten der Heroen (die Taten des Herakles).
Tatsachen konstituieren sich in einer atheistischen Welt.
Der Tempel unterscheidet sich von der Kirche dadurch, daß er nicht das Haus Gottes, sondern das Haus seines Namens ist, während die Kirche, die den verdinglichten Gott in ihren Mauern zu besitzen glaubt, sich selbst einen Namen machen muß, So ist sie zum „Turm, der bis an den Himmel reicht“, geworden. Der Pomp (die Adaptation der Herrlichkeit) ist das zwangsläufige Korrelat des eigenen Namens.
Ist nicht die Herrlichkeit Gottes der Schrecken Isaaks? Isaak, Samuel und Johannes dem Täufer ist es gemeinsam, daß sie Kinder der Unfruchtbarkeit (Kinder, die ihren Eltern im Alter geboren wurden) sind. Isaak ist das aufgehobene Opfer, Samuel der Eröffner des Königtums in Israel und Johannes das Opfer des letzten Königs und der Vorläufer des Messias.
Geschichtsphilosophie ist das Produkt der Übersetzung der Schrift in den Indikativ: Ihr entspricht die Zwangsvorstellung, es gebe einen Plan der Geschichte, eine „Heilsgeschichte“ (eine „Vorsehung“, die, indem sie das Prinzip der Geschichtsschreibung gleichsam nur umkehrt das Unglück der Geschichte nicht aufhebt, sondern es perpetuiert). Aber die Geschichte hat keinen Plan, zu ihren Elementen gehört der Zufall. Auschwitz war nicht „notwendig“, kein Teil eines „göttlichen Heilsplans“, sondern ein Werk des „Zufalls“ in der Geschichte, dessen Kräfte allerdings selber bestimmter geschichtlicher Bedingungen zu ihrer „Freisetzung“ bedürfen. Zu diesen Bedingungen gehören insbesondere Formen des Handelns, die von der inneren Notwendigkeit des Handelns (von der Verantwortung, von der Moral, die sich von selbst versteht) sich emanzipiert haben, die sich selbst zu einem Instrument des Zufalls gemacht haben. In die christliche Tradition ist der Zufall unter dem Namen des liberum arbitrium (der Wahlfreiheit) eingangen.
Der Sabbat wird mit dem siebten Schöpfungstag und dem Exodus begründet: Bezieht sich der Satz, daß der Menschensohn „Herr des Sabbat“ ist, auch auf diesen Begründungszusammenhang?
Der Bogen in den Wolken setzt den Wassern eine Grenze und eröffnet dem Feuer den Weg (vom brennenden Dornbusch über das Feuer vom Himmel zu den Feuerzungen des Geistes).
Was haben die Wolken (in denen nach der Sintflut der Bogen erscheint) mit den Wolken, auf denen der Menschensohn erscheinen wird, und mit den Wolken der Zeugen zu tun (oder was haben der Bogen, der Menschensohn und die Zeugen miteinander zu tun)?
Bezeugen kann man nur Vergangenes, eine Tat, eine Handlung, ein Geschehen. Hat die „Wolke der Zeugen“ (Hebr 121) etwas mit dem Begriff der Geschichte zu tun? Ist die im Spiegel ihrer Zeugnisse vergegenständlichte Geschichte die Wolke, in die nach der Sintflut der Bogen gesetzt ward und auf der der Menschensohn am Ende erscheinen wird?
Haben die Wolken des Himmels etwas mit dem Geist über den Wassern zu tun?
Haben die Donner (deren Stimme in der Apokalypse nicht ins Buch mit aufgenommen werden soll, aber auch die „Donnersöhne“, die Zebedäus-Söhne) etwas mit dem Brüllen JHWHs zu tun?


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