Das Cliché von der „postmodernen Beliebigkeit“ trägt aufs deutlichste projektive Züge: Die Informationsgesellschaft zementiert das Bestehende und macht jede Kritik zur Meinung, zu etwas Subjektivem, Beliebigem. Objektiv ist nur das, was ist, worüber man andere (wertneutral) informieren kann. Ist nicht das Konstrukt des „kommunikativen Handelns“ ein Haus der Beliebigkeit? Fehlt nicht im Begriff des „herrschaftsfreien Diskurses“ die Reflexion auf die Außenbeziehungen der Gründe und auf die Außenwirkung seines Ergebnisses, müßte nicht die Herrschaftsfreiheit des herrschaftsfreien Diskurses auch diese Außenbeziehungen mit einbeziehen? Jeder reale Diskurs (jedes Gespräch am Bankschalter, im Büro des Chefs, im Amtszimmer einer Verwaltung) bezieht sich auf Sachverhalte, die bis in die innerste Struktur hinein durch Herrschaftsbeziehungen bestimmt sind, und in der Regel sind es diese Herrschaftsbeziehungen, die das Ergebnis des Diskurses bestimmen. Aber auch der herrschaftsfreie Diskurs am Stammtisch kann durchaus diskriminierende Außenwirkungen, etwa eine Ausländerhatz, zur Folge haben. Die Logik des herrschaftsfreien Diskurses schließt das Vorurteil nicht aus.
Die subjektive Form der äußeren Anschauung verwandelt die Natur in Ausland (die der inneren Anschauung transformiert ihre Objekte ins Vergangene).
Enthält nicht der Satz aus Hegels Rechtsphilosophie, daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug ist, um der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern, die Begründung der Notwendigkeit des Strafrechts und der Knäste, ist er nicht ein Produkt der Säkularisation der Höllenvorstellung?
Die positivistische Subjektivierung der Kritik ist die letzte, sprachlogische Konsequenz aus der Subjektivierung der „Sinnesqualitäten“, der „Empfindungen“.
Seid vollkommen, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist: Hängt die Bedeutung dieses Satzes nicht vom Verständnis des perfectum ab, davon, ob das perfectum als vergangenes Sein oder als vollendete Handlung verstanden wird? Müßte es nicht heißen: Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen sein wird?
Wer das perfectum ins Vergangene transformiert, muß dann auch das perfectum wiederum als Vergangenes reflektieren, und zwar sowohl als Plusquamperfekt, als Vorvergangenheit, wie auch als Futur II, als zukünftige Vergangenheit. Ist der Schritt vom Plusquamperfekt zum Futur II der Schritt von der griechischen zur lateinischen (von der dogmatischen zur postdogmatischen) Sprachlogik?
Apokalyptische Sprachlogik: Wenn der Drache (die Schlange) das Neutrum ist (das Präsens der vollendeten Vergangenheit: Kristallisationskeim der verdinglichten, instrumentalisierten Welt), ist dann das Tier aus dem Meer das Plusquamperfekt und das Tier vom Lande (der falsche Prophet) das Futur II?
Mein ist die Rache, spricht der Herr: Im Licht des Ewigen ist die Justiz das Verbrechen, das zu verfolgen sie vorgibt.
Der Knast ist das Produkt der Identifizierung des Plusquamperfekt mit dem Futur II, das Inertialsystem das logische Abbild des Knasts: Die Vorstellung des leeren Raumes verbindet die Offenheit der Zukunft mit dem Nichtsein des Vergangenen.
Ist der leere Raum das Realsymbol des Rosenzweigschen Nichtwissens, und sind die Gegenstände des Nichtwissens (Gott, Welt, Mensch) die Namen des Nichtobjektivierbaren, des nicht unter die Vergangenheit Subsumierbaren?
3.2.96
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