Zu Lk 117: Worauf bezieht sich das Wort von der Bekehrung der Herzen der Väter? Heißt es im Dekalog: Du sollst Vater und Mutter lieben, auf daß du lange lebest auf Erden (so der Sohn von Martin Heidegger in der FR von heute), oder: Du sollst Vater und Mutter ehren, …? Erlaubt diese Formulierung nicht die Frage, ob man seine Eltern überhaupt lieben kann, und ob nicht die Beziehung, die Kinder zu ihren Eltern herzustellen haben, auf einer anderen Ebene liegt als beispielsweise die Nächsten- oder auch die Feindesliebe? Und hat diese Frage nicht auch etwas mit der der Sündenvergebung zu tun, die (gegen die Auslassungen des Bormann-Sohnes) ohne die Versöhnung mit den Opfern nicht zu erlangen ist, und die – auch nach einem Jesus-Wort – nicht auf die Beziehung von Seele und Gott (auf den Bereich der Innerlichkeit) sich eingrenzen läßt. Gehört es nicht zur Würde des vierten Gebots, daß es die Beziehung zu den Eltern mit dem Wort „ehren“ benennt, das den Blick auf Öffentlichkeit und aufs Handeln mit einschließt, damit aber über die Privatsphäre hinaus aufs Politische verweist?
Das vierte Gebot gebietet nicht die Elternliebe, vor deren Gefahren: der symbiotischen Beziehung und der Verstrickung in Rechtfertigungszwänge, es vielmehr durch des Wort „ehren“ schützt. Das vierte Gebot macht das Über-Ich reflexionsfähig. Die Reflexion des Über-Ich entzieht dem Glauben an die Magie des Urteils den Boden.
Du sollst Vater und Mutter ehren: In welchem Kontext kommt dieses „ehren“ sonst noch vor?
Nur die Eltern, die es mit sich selbst nicht aushalten, wollen von ihren Kindern geliebt werden.
Steht das Wort „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“ nicht in der Tradition des vierten Gebots: „Du sollst Vater und Mutter ehren“? Lieben sollst du nur Gott und den Nächsten.
Der Weltbegriff bezeichnet eine kollektive symbiotische Beziehung, deshalb ist er der logische Grund des Nationalismus. Die Form dieser symbiotischen Beziehung ist die Bekenntnislogik (die in der Schuldumkehr gründet).
Auch der universale Weltbegriff (die Universalität des Weltbegriffs) gründet in Voraussetzungen, die erst mit dem Staat entspringen (und d.h. nicht universal sind). Zur Universalität dieses Weltbegriffs gehört der Ausschluß der Barbaren, der Fremden, der Wilden, auch der Juden.
Ist die Trinitätslehre nicht ein Produkt der Überhöhung des dynastischen Prinzips: der Hypostasierung des Erbens (das zu den die Identität des Weltbegriffs stiftenden Kräften gehört).
Nach jesuitischen Wahrheitsverständnis sind Notlügen erlaubt. Ist dieses Wahrheitsverständnis nicht ein politisches: Werden nicht sämtliche Wahlkämpfe, wird nicht die Selbstdarstellung der Politik insgesamt mit Notlügen bestritten?
Die Kirche ist längst zur Versammlung der 99 Gerechten geworden.
Ursprung der Opfertheologie: Die Männer, die bei der Kreuzigung Jesu davongelaufen sind, haben post festum das Kreuz zum Symbol der Erlösung gemacht.
Haben der Baal und die Ascherim (und im Hintergrund der hieros gamos) nicht auch astrologische Bedeutung?
Ist das Denken des Denkens des Aristoteles (die Selbstobjektivierung des Denkens, die Hereinnahme des Denkens des Andern ins eigene Denken: die Reflexion) selber ein Reflex der Orthogonalität, die die Unterschiede zwischen den Richtungen im Raum neutralisiert, „aufhebt“; und hängt über die noesis noeseos, die dann in der „Trinitätslehre“ sich entfaltet, die Orthodoxie mit der Orthogonalität zusammen (rühren das „Zeugen“ und das „Hervorgehen“, die das Verhältnis der Personen im trinitarischen Dogma definieren, an die in der „subjektiven Form der Anschauung“ verdrängten inneren Differenzen der Richtungen im Raum)?
Kann es sein, daß die Kabbala und das christliche Dogma als zwei Seiten ein und derselben Sache sich begreifen lassen? Daß das En-soph (und die Sefiroth) und die Trinitätslehre auf einen gemeinsamen Ursprung in der noesis noeseos, im Denken des Denkens, genauer: in dem damit bezeichneten objektiven begriffs- und herrschaftsgeschichtlichen Problem, zurückweisen (vgl. hierzu Gershom Scholem, „Über einige Grundbegriffe des Judentums“, 1970, S. 28ff)?
3.6.96
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