Es gibt eine Tradition der Wut, die über die Feindbilder der Fremdheit sich fortpflanzt (über Juden, Zigeuner, Heimatvertriebene, Kommunisten, Ausländer, Asylanten). Wie sehr diese Wut schon den großen abendländischen Traditionen immanent ist, mag man an den Namen der Barbaren, der Juden, der Heiden, der Ketzer, der Wilden erkennen. Aus der politisch-gesellschaftlichen Verinnerlichung dieser ursprünglich nach außen (gegen Fremde) gerichteten Tradition stammen das Strafrecht und die Knäste, die dem Rachetrieb eine gesellschaftliche Form und Legitimation geben. Die Geschichte der politisch-gesellschaftlichen Verinnerlichung der Wut ist die Ursprungsgeschichte des Staates, ihre biblischen Realsymbole sind nach Sodom, Jericho und Gibea insbesondere Ägypten und Babylon.
Was ist es, was die Gläubigen so wütend macht, so leicht in Rage versetzt?
Feind-Wahlverwandtschaften: Es gibt kein Feindbild ohne projektiven Anteil, ohne Wahl.
Verwaltete Welt: Seit dem nationalsozialistischen Programm der „Endlösung der Judenfrage“ gleichen Verwaltungsmaßnahmen immer häufiger paranoiden Präventivschlägen (gegen die chaotischen Massen der durch Verwaltung zu Betreuenden: der Schüler, der Fürsorgeempfänger, der Gläubigen, der Arbeitslosen, der Kranken, der Steuerzahler, der Asylanten, der Spaziergänger).
Die Geschichte vom Sündenfall auf die Ursprungsgeschichte des Dogmas beziehen: mit dem Hellenismus als Schlange, der Kirche als Eva, dem Kaiser als Adam und dem Dogma (und dem Sakrament) als der (verbotenen) Frucht vom Baum der Erkenntnis. – Für Augustinus war das Symbolum noch ein Sakrament. Erst die Scholastik hat das Dogma vom Sakrament getrennt: So ist sie zur Ursprungsgeschichte der Aufklärung geworden.
…, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris: Das Sündenvergeben ist ein Teil des parakletischen, des verteidigenden Denkens. Hier ist der Punkt, an dem der Anspruch der jesuanischen Botschaft über Ezechiel hinausgeht. Das Amt des Ezechiel war das des warnenden Propheten. Nachdem die Warnung (vor einer Zukunft) zum Urteil (über etwas Vergangenes) verdinglicht war, mußte die neue Gestalt der Prophetie parakletisch sein (durch Erinnerung vermittelt).
Die Beichte hat durch die sakramental verdinglichte Rollenverteilung das Sündenvergeben vom Tun (von der Versöhnung) getrennt, es zum konsumistischen Akt remythisiert.
3.8.1995
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