30.06.93

Hat nicht die Unkenntnis des Blutsymbols, die Verwendung des Begriff „ad litteram“ und die Unfähgkeit zu Kritik des Weltbegriffs und in diesem Falle der Naturwissenschaften (die Rückprojektion unseres heutigen Bewußtseinsstandes in die frühe Christenheit), die Opfertheologie und das Dogma insgesamt verhext?
Die Natur ist die aufgedeckte Blöße der Welt, und die Materie die Scham.
Klingt nicht in dem paradiesischen „Sie waren nackt und sie schämten sich nicht“ die Verklärung an (der Stand vor der Verblendung durch Materie)? Steckt darin wie in dem anderen Satz „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“ nicht die Geschichte des Ursprungs der Materie?
Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung Fixierungen aufs Sehen und die Abstraktion vom Gesehenwerden (Grund des Prinzips: man darf alles, sich nur nicht erwischen lassen)? Die Abstraktion vom Gesehenwerden drückt sich selbst wieder in der Form der inneren Anschauung aus. Hier ist der Zusammenhang mit der Schicksalsidee begründet (Verinnerlichung des Schicksals als Grund des begrifflichen Denkens). Der Begriff der Materie bezeichnet die auf dem Sehen auf der Objektseite korrespondierende Scham. Die Heußsche „Kollektivscham“ hat nicht nur die Aufarbeitung der Vergangenheit blockiert, sie hat die Deutschen in die schicksalhafte Beziehung zur Welt, zum „Ausland“ gebracht, dagegen der Rechtsradikalismus heute so vergeblich wie selbstzerstörerisch aufbegehrt. Und kein Zweifel: Es gibt eine lustvolle Scham, wobei die Lust daher rührt, daß die Scham den Sich Schämenden von Schuldgefühlen befreit, indem es ihn von dem Subjektsein befreit, das den Schuldgefühlen zugrunde liegt. So ist die Scham der Keim des moralischen Trägheitsprinzips. Die Scham macht namenlos („Oh, wie gut, daß niemand weiß, …“), man begibt sich in der Scham außer Reichweite des Hörens.
Ein Papst, der Galilei rehabilitiert und der Inquisition guten Glauben bescheinigt, kann natürlich auch einen Pinochet seiner Freundschaft versichern (FR heute).
Eine Kirche, die sich so in ihrem Schuldverschubsystem verfangen hat, daß sie selber zur Schuldreflexion unfähig geworden ist, ist der Greuel am heiligen Ort.
Entspricht nicht die Beziehung von Kaninchen und Schlange in mancher Beziehung der des Hundes zum Mond: Gibt es diesen bannenden Blick der Schlange, und hat er etwas mit dem berüchtigten Blick Hitlers zu tun?
Während Seiters, Rühe, Hintze, auch Kinkel und Rexroth so aussehen, als könnten sie einen nicht anblicken, hat Schäuble den stechenden Blick.
Beelzebul, der Herr der Fliegen: Verhalten sich nicht die Insekten (Ursprung des Namens der Insekten?) zu den Blüten wie das Inertialsystem zum Licht und zur Materie? Sind die Insekten gleichsam lebendige Verkörperungen des Inertialsystems (ähnlich wie vielleicht die Dornen und Disteln und die Hörner der jüdischen Opfertiere)?
Sind nicht generell die symbiotischen Systeme in der Natur Repräsentanten der Doppelnatur des Lichts?
Bei Elisa (2 Kön?) steht die Geschichte von der Frau, die nach dem Tode ihres Mannes ihre Kinder in Schuldknechtschaft geben muß.
Ist nicht die Geldwirtschaft insgesamt ein System der Schuldknechtschaft, die sich auf die Naturwissenschaft bezieht wie die Trunkenheit Noes auf das Aufdecken der Blöße durch Ham.
Die in der Simson-Geschichte immer wiederkehrende Wendung „Da überkam ihn der Geist Gottes …“ ist sowohl komisch als auch ein noch aufzuklärender Hinweis auf die Beziehung des Geistes Gottes zu den Grundlagen der Gewalt, zu ihrem Naturgrund.
Die Welt ist das fensterlose Haus der Monade: die Isolationshaft des Subjekts. Nur die Kritik des Begriffs und die Wiedergewinnung der benennenden Kraft der Sprache führen heraus. Das „qui tollit peccata mundi“ ist das Ausbruchswerkzeug.
Der Antisemitismus (und sein kirchliches Pendant, der Antijudaismus) ist ein Versuch, sich die prophetische Kritik vom Leibe zu halten, der Verpflichtung des Votums für die Armen und die Fremden sich zu entziehen.


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