31.03.89

Auschwitz: Nicht wir urteilen über die Vergangenheit (Museum, Historismus, Wertphilosophie), sondern die Vergangenheit ist das Urteil über uns („Umwertung der Werte“). Das aber ist die bis heute unbegriffene Wahrheit des Christus, der sich diesem Urteil unterwirft (abgestiegen zur Hölle, hat alle Schuld auf sich genommen, „richtet nicht …“). – Modell der „Umkehr“.

Heidegger war – gerade als Atheist – katholisch: sein Nachkriegserfolg insbesondere im deutschen Katholizismus war darin begründet, daß er das Modell für ein Überleben der Kirche als Institution geschaffen hat, allerdings um den Preis des Selbstmords der katholischen Theologie, die es seitdem nicht mehr gibt.

Bewußtsein ist – wie das Wissen – abhängig von seinem Gegenstand: etwas strukturell Vergangenem; als Vergangenes ist es etwas sich selbst Entfremdetes, Produkt eines Zerfalls-, Dissoziationsprozesses. Bewußtsein ist selbst der blinde Fleck.

Glauben im Sinne von „etwas für wahr halten“ zerstört seinen Gegenstand, indem er ihn in einen Bereich hereinzieht, in dem dieser Gegenstand sich zwangsläufig auflöst: durch Assimilation an die Gesetze des Wissens, durch Subsumtion unters Vergangene (Theophysik statt Theologie).

Gegen Heidegger: Angst ist nicht objektlos, sondern selber Medium von Erkenntnis, allerdings einer Erkenntnis, die nicht den Gesetzen des Wissens, der Subjektivität sich unterwirft (der im übrigen zynische Satz „Not lehrt beten“ rührt an diesen Sachverhalt und ist insoweit fast wahr). Keine sicherere Abwehr der Erkenntnis, kein besseres Mittel der Selbstverblendung, der Verdrängung als die Tabuisierung der Angst. Diese Funktion der Angst rührt her von ihrer Beziehung zur Schuld. – Die These von einer objektlosen Angst ist das Tabu über Erkenntnis.

Die objektlose Angst und die Reduzierung der Philosophie aufs „Seinsdenken“ gehören zusammen; die Angst, deren Reflexion Heidegger wie der Teufel das Weihwasser meidet, ist es, die die Bewegung des Gedankens, sein Zusammenschrumpfen auf das bloße Sein, vorschreibt und zugleich von jeglichem Schuldbewußtsein befreit (damit allerdings den paranoiden Zwang, genauer: den paranoiden Sog der „Eigentlichkeit“, weiter verstärkt). Übrig bleibt – nach der Abspaltung vom Objekt – nur das Objekt als Korrelat des Denkens, eigentlich nur das leere Denken selber. Und dessen Name ist Sein.


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