31.1.1995

Zum Stern der Erlösung: Kritik des Systems heißt nicht Leugnung des Systems. Sie setzt vielmehr voraus, daß die Wirklichkeit kein Ensemble isolierter Fakten ist, sondern in sich selber systemisch strukturiert ist. Wer Kritik an Hegel übt, erledigt ihn nicht, so als ob es danach sich erübrige, mit Hegel noch sich zu befassen, sondern setzt voraus, daß die Hegelsche Philosophie Anteil an der Wahrheit hat, die allerdings nur durch Kritik zu gewinnen ist, und die ohne die Hegelsche Philosophie, an der sie sich abarbeitet, nicht zu gewinnen wäre.
Ist nicht die Rosenzweigsche Vorwelt eine nachkantische und nachhegelsche Vorwelt?
Nicht das Ja und nicht das Nein, sondern das Und ist bei Rosenzweig der Statthalter der Apokalypse. Zeugt nicht auch die Gelassenheit des Tons bei Rosenzweig noch von einer Verdrängung und von der Anspannung, das Verdrängte unten zu halten? Dieser „Ton“ verschweigt die jüdische Welterfahrung, die eine den Juden durch Christen zugefügte apokalyptische Welterfahrung ist.
Rosenzweig unterscheidet ein östliches, ein nördliches und ein südliches Christentum: die Orthodoxie, den Protestantismus und den Katholizismus. Was er nicht sieht – und das hängt damit zusammen, daß er die Apokalypse im Und verschweigt -, ist das „westliche“ Christentum: das okzidentale, „abendländische“ Christentum, das politische Christentum: seine politische Instrumentalisierung, das gleiche Christentum, daß in einer Folge von Eruptionen, von den Kreuzzügen bis Auschwitz, geschichtsnotorisch geworden ist.
Theologie im Angesicht Gottes: Hat nicht das Feuer dieser Sonne (das Leuchten des göttlichen Angesichts) die Sulamit des Hoheliedes schwarz gebrannt?
Anmerkung zum Trinitätsdogma (und zur Opfertheologie): Ham hat die Blöße seines Vaters offenbar gemacht; dafür wurde Kanaan, sein Sohn, verflucht.
Der Fluch über Kanaan, der ihn zum Knecht Sems und Japhets gemacht hat, ist mit der „Marktwirtschaft“ über die ganze Welt gekommen. Folgt nicht heute auf eine semitische und dann japhetitische Phase der Offenbarungsgeschichte eine hamitische? Ist nicht auch heute das gelobte Land nur im Kampf gegen ein Kanaan, das wir selbst sind, zu gewinnen (Rücknahme der projektiven Schriftauslegung, die sieben Völker Kanaans und die sieben Siegel)?


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