31.10.1996

Doppelbedeutung von „fit“: Hängt nicht der Kinderspruch „fit, fit, fit“, mit dem sie lernen, mit der Häme umzugehen, mit dem „Fitness-Training“ zusammen?
Drei Funktionen der Banken, die auch (in variabler Zusammensetzung) unterschiedlichen Formen der Banken zugrundeliegen: Zentralbanken, Depositenbanken, Kreditbanken (haben sie nicht etwas mit der Beziehung von Akkusativ, Genitiv und Dativ zu tun, und mit der Zerstörung des Nomens, seiner Umwandlung zum Substantiv?).
Betonblock: Die Finanzierungsformen der Wirtschaft, die generell über Kredite laufen (auch Aktien sind Kredite, ebenso wie die Liquiditätskredite der Banken), erzwingen das Rentabilitätsprinzip, das vom subjektiven „Gewinnstreben“ ebenso abgekoppelt ist wie (durch die Schlachthäuser) der Fleischverzehr vom Selberschlachten oder (durch die Justiz) die Strafe von der individuellen Rache. Als Rentabilitätszwang ist das Gewinnstreben zu einer Sache der Verwaltung und damit zu etwas Objektivem geworden. Der Gewinn ist nicht mehr der Gewinn dessen, der ihn „erwirtschaftet“, sondern als Zins oder Rendite (denen ihr Ursprung nicht mehr anzusehen ist) der des Kreditgebers, der „sein Geld arbeiten läßt“. Das verwandelt die Ökonomie in ein Stück Natur, die die ganze lohnabhängige Arbeit unter sich begreift, die so der Reflexion ebenso entzogen zu sein scheint wie das Objekt der Naturwissenschaften. Aber werden durch diesen Prozeß die Kritik der politischen Ökonomie und die Kritik der Naturwissenschaften nicht vom Gang der Dinge selbst in eine Beziehung gerückt, in der sie entweder beide ausgeblendet werden oder nur noch gemeinsam möglich sind?
Die identitäts- und gemeinschaftsstiftende Kraft der Feindbildlogik ist eine gesellschaftliche und eine logische Kraft zugleich: sie begründet auch die Subsumtionsbeziehung des Begriffs zum Objekt, in der die Feindbildlogik als Herrschaftslogik (als Instrument der Naturbeherrschung) sich materialisiert. In dem Augenblick, in dem die Urteilsfindung in einem Prozeß auf die Subsumtionslogik regrediert und die Reflexion (das Sich-Hineinversetzen in den Angeklagten) aus dem Recht ausgetrieben wird, wird der Angeklagte zum Feind und werden die Knäste zu einer sinnlichen Verkörperung des Objektbegriffs und der Subsumtionslogik.
Max Horkheimers Satz, daß, wer vom Faschismus redet, vom Kapitalismus nicht schweigen darf, bewahrheitet sich heute auch noch darin, daß die Verdrängung der Vergangenheit in der Tat zur Grundlage des ökonomischen Handelns geworden ist.
Es gibt keine Feindbildlogik, die sich nicht durch Berufung auf den Feind legitimiert, dadurch aber einer tendentiell paranoiden Zwangsreflexion sich unterwirft, die die freie Reflexion verhindert, indem sie ihren Gegenstand mit Hilfe eines Tabus, dessen Instrument die Empörung ist, unsichtbar macht (wie die Fixierung auf das unmoralische „Gewinnstreben“ die gesamtgesellschaftlichen Wirkungen des Rentabilitätsprinzips unsichtbar macht).
Waren nicht Kopernikus, die Entdeckung der später kolonialisierten Welten und die Anfänge des Kapitalismus Vorankündigungen einer Explosion der Eigentumslogik, die noch bevorsteht?
In der kantischen Transzendentalphilosophie haben die subjektiven Formen der Anschauung die Funktion, der transzendentalen Logik das apriorische Objekt bereitszustellen, das dann die Konstruktion synthetischer Urteile apriori nicht nur möglich macht, sondern erzwingt. In der Konsequenz dieser Konstruktion lieferte die transzendentale Logik nicht nur den Nachweis, daß, sondern auch die Begründung, weshalb Naturwissenschaft als Wissenschaft möglich ist, vor allem aber eine Kritik ihres Erkenntnisanspruchs. Diese Kritik ist entweder nicht zur Kenntnis genommen worden, oder aber sie war Anlaß für den wütenden Aufschrei aller Orthodoxien, von der Theologie bis zum Diamat, über den angeblichen Agnostizismus Kants. Beide, das Wegsehen wie auch die Empörung, hatten ein herrschaftslogisch determiniertes Interesse daran, die Unterscheidung der (erkennbaren) Erscheinungen von den (nicht erkennbaren) „Dingen, wie sie an sich selber sind“, die die Notwendigkeit der Reflexion begründete, nicht anzuerkennen, sie zu leugnen und mit einem Tabu zu belegen. Dieses herrschaftslogische Interesse gründet in der Beziehung der Identifizierung von Erscheinung und An sich zur identitäts- und gemeinschaftsstiftenden Kraft der Feindbildlogik.
Gründet nicht der Zwang, der in der Habermas’schen affirmativen Kommunikationstheorie und in seinem Konstrukt des „Verfassungspatriotismus“ sich manifestiert, in der Zurückweisung einer Wissenschafts- und Erkenntniskritik, die auch vor dem Naturbegriff nicht haltmacht?
Der Knast war seit je ein Repräsentant des feindlichen Auslandes im Inland (Joseph im Gefängnis des Pharao). War er nicht in seinem Ursprung eine Privatsache, wie die Blutrache, eine Zwischenstufe zur Institution des Sklaverei, die dann vergesellschaftet worden ist in der Gestalt der Lohnarbeit, des Proletariats?
Ist nicht der Staatsschutz eine Potenzierung des Schutzes des Privateigentums, dem nicht nur das Strafrecht, sondern eigentlich das Recht insgesamt in letzter Instanz dient?
Ist nicht der Knast ein Zwangskloster, in dem das Armuts-, Keuschheits- und Gehorsams-Gelübde von außen auferlegt werden, und die Isolationshaft die Zwangsform des Eremitentums? Verhält sich nicht der Knast zum Mönchstum wie die Bekehrung zur Umkehr oder die Natur zur Schöpfung? Die neutralisierte Raumvorstellung ist ein Symbol der Mauern, die die Menschen im Knast von den 99 Gerechten draußen trennen.
Zu Max Webers Kapitalismustheorie: Waren die Heroen des Kapitalismus nicht die Mönche der Mammonsreligion? Und hängt die Begriffsverschiebung, die aus der Umkehr die Buße gemacht, nicht mit dieser Geschichte zusammen?
Unter dem Begriff des Lebens beten wir heute die Kreisläufe an, in die alles Lebendige eingebunden ist, ohne daraus sich befreien zu können. Der theologische Begriff des Lebens ist kein Naturbegriff, sondern gründet in der Idee der Auferstehung.
Die Leibnizsche Monade ist das Symbol eines immer noch ungelösten Problems. Daß Leibniz der Ungelöstheit dieses Problems sich bewußt war, beweist seine Wahrnehmung, daß kein Blatt eines Baumes einem anderen Blatt gleicht.
Hegels Wort, daß die Natur den Begriff nicht halten könne, ist umzukehren: Dort, wo Natur nicht nur Natur ist, sprengt sie den Begriff (es ist die Gewalt des Begriffs, die dem Befreienden die Maske des Chaotischen aufdrückt).
Wie hält eigentlich der Vers: „Mach unser Herz von Sünden rein, damit wir würdig treten ein zum Opfer deines Sohnes“ die Erinnerung an die Greuel der Konquistadoren, der Entdeckungs- und Kolonialisierungsgeschichte insgesamt, stand?
Käme es angesichts des Satzes aus dem Jakobusbrief von der Bekehrung des Sünders nicht darauf an, diesen Namen des Sünders aus der Gewalt des definitorischen Blicks der 99 Gerechten (aus der Gewalt der Männerphantasien) endlich zu befreien? Es sind diese Gerechten, die aus der Tatsache, daß Maria Magdalena im katholischen Heiligenkalender als „Büßerin“ geführt wird, immer nur den Schluß gezogen haben, sie müsse es aber schlimm getrieben haben. Auch das folgenlose „wir sind allzumal Sünder“ hilft darüber nicht hinweg.
Die Feindbildlogik hängt mit der Logik der Reklame zusammen, die der Menschheit einbläut, daß man, wenn man nicht betrogen sein will, Sprache nicht mehr wörtlich nehmen darf, sondern nur noch instrumentell, indem man sie darauf hin abhört, was andere mit ihr im Schilde führen. Der Verdacht, daß einer nicht meint, was er sagt, sondern eben das meint, was er nicht sagt (daß er „durch die Blume redet“), ist eine der Quellen der Paranoia, er begründet und verstärkt das Gefühl der Bedrohung, das erst ein Feindbild rational zu machen scheint.
Das „Liebhaben“ verwandelt das geliebte Objekt in Eigentum. Wer Feinde, anstatt sie im jesuanischen Sinne zu „lieben“, nur liebhaben möchte, will sie in Wirklichkeit einsperren.
Rechtsstaat: Wer nicht in der Lage ist, sich in einen andern hineinzuversetzen, wer dessen Selbstverständis rigoros ausblendet, verbietet damit die Empathie und sperrt alle in die Isolationshaft ihres Egoismus und ihrer paranoiden Phantasien ein. Für sie teilt die Welt sich auf in die, die haben und zu denen man gehört, und die, die nicht haben, die man nicht mehr sieht, die ausgegrenzt werden.
Man kann nicht Haben gegen Sein ausspielen: in dieser Welt ist nur der etwas, der was hat.


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