31.3.96

Ist nicht jeder Indikativ ein versteckter Imperativ (jeder Indikativ erhebt Anspruch auf die „normative Kraft des Faktischen“; darin gründet der Anspruch der Ontologie)? Und käme es nicht darauf an, diesen Anspruch reflexionsfähig zu machen, anstatt ihm blind zu folgen? Das imperativische Zentrum des Indikativs ist die Idee des Absoluten: Produkt der Selbstreflexion des Subjekts im Unendlichen, der Schatten, den das Subjekt auf Gott wirft.
Das Proletariat in der Marxschen Theorie ist nicht austauschbar und nicht beliebig ersetzbar, insbesondere nicht durch irgendwelche Avantgarden. Stattdessen wäre endlich der Paradigmenwechsel zu reflektieren und zu begreifen, der einhergeht mit der Globalisierung des Kapitalismus, mit der universalen Realisierung des „freien Marktes“ und in deren Folge mit der inneren Differenzierung im Begriff und in der Realität des Proletariats: Der ökonomischen Proletarisierung ganzer Weltregionen entspricht die politische Proletarisierung der Metropolen.
Der Markt gründet im Fernhandel, in den Außenbeziehungen der handeltreibenden Staaten und Völker; seine Wurzeln liegen im Raub, in der Eroberung und im Opferwesen. Der Markt hat diese Beziehungen im Hegelschen Sinne in „Naturbeziehungen“ transformiert. Es wäre nachzuweisen, daß in dieser Konstellation der Naturbegriff überhaupt erst entspringt (daß die zweite Natur das Modell der ersten war, in deren Bild sie sich bewußtlos wiedererkannte). Natur war seit je potentielles Eigentum (herrenloses Gut, das, was einfach nur da ist), und die vorsokratische Philosophie, die unter dem Standardtitel peri physeos sich entfaltet hat, war ein Produkt der Vergesellschaftung der Logik des Handels, die dem Expansionstrieb des Staates den Weg freigemacht hat. So war Philosophie von Anbeginn (auch als Naturphilosophie, die durch Entzauberung der Natur die Widerstände und Hemmungen abgebaut hat, die der Aneignung und Beherrschung der Natur und der Begründung des Gewaltmonopols des Staates im Wege standen) politische Philosophie.


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