31.8.1994

Die Logik der Schrift trennt nicht nur Welt und Natur, sondern auch Öffentlichkeit und Privatsphäre (sie konstituiert den Weltbegriff und die Öffentlichkeit, und macht damit überhaupt erst die Natur zur Natur und die unmittelbare Existenz zur Privatexistenz).
Das Objekt ist ein Produkt der Schrift.
Ist nicht die Logik der Schrift das Buch mit sieben Siegeln, deren Lösung die Sprache (das Wort) aus den Verstrickungen der Logik der Schrift befreit?
War nicht die paulinische Gesetzeskritik eigentlich eine Kritik der Logik der Schrift, und war nicht das Wort vom Ende des Gesetzes die voreilige Ankündigung des Endes der Logik der Schrift, das (außer in der Erinnerung des Kreuzestodes) noch nicht eingetreten war? Aber der Kirche ist es dann „gelungen“, den Kreuzestod durch seine opfertheologische Neutralisierung zu neutralisieren und zu domestizieren.
Gründen nicht die Probleme der paulinischen Theologie darin, daß er keine andere Wahl hatte: die Mittel der Kritik der Logik der Schrift (des Gesetzes) waren die Mittel der Logik der Schrift.
Unterscheidet sich das Himmelreich vom Gottesreich wie die Erfüllung der Schrift (der Kreuzestod) von der Erfüllung des Wortes (der Erneuerung des Antlitzes der Erde)?
Zur Thora: Ist die Lehre nicht in dem Augenblick, als „die Schrift sich erfüllte“, zum Gesetz geworden?
Mit dem homousia ist die Logik der Schrift endgültig im Dogma verankert und Jesus nochmals gekreuzigt worden.
Erfüllung der Schrift:
– auf dem Wege nach Emmaus hat Jesus den Jüngern (deren Augen „gehalten wurden“ und die ihn dann erst am Brotbrechen erkannten) anhand der Schriften (Moses und der Propheten) nachgewiesen, daß Christus „dies alles leiden“ mußte, bevor er in seine Herrlichkeit eingehen konnte (Lk 2425ff); und zu Maria Magdalena sagte er: „Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht zum Vater aufgefahren“ (Joh 2017);
– die Reden in der Apostelgeschichte (die des Petrus am Pfingsttag, die des Stephanus vor seiner Steinigung, aber auch das Gespräch des Philippus mit dem Aethiopier) beziehen sich, wie es scheint, ausschließlich auf das, was man die Erfüllung der Schrift nennen könnte, nicht aber auf die Erfüllung des Worts, die noch aussteht.
Ist nicht das Feuer ein Symbol der Gottesfurcht, und sind Fegfeuer und Hölle nicht projektive Verkörperungen der verdrängten Gottesfurcht?
Ist nicht am neuen Welt-Katechismus im Detail abzulesen, in welche Engführungen und in welche Verstrickungen (oder: in welche Versuchungen) die Logik der Schrift heute hineinführt?
Wie verhält sich das: Im Schöpfungsbericht, der sich begreifen läßt als eine Geschichte von Katastrophe und Rettung, ist die Schöpfung das Werk Elohims; der Geschichte vom Sündenfall zufolge ist das katastrophische Element in der Schöpfung bedingt, verursacht durch die Sünde Adams (nach Joh 129 die „Sünde der Welt“).
Über die neutralisierende Gewalt der Orthogonalität (die Neutralisierung der Differenz zwischen Unmittelbarkeit und Reflexion).
Et ne nos inducas in tentationem: Diese Versuchungen, sind das nicht (wie die Versuchungen Jesu nach seinem Aufenthalt in der Wüste) die Versuchungen der Logik der Schrift?
Ist nicht die scientia, der Ursprung der Wissenschaft im Kern der christlichen Theologie, die Rache der Gnosis an der Theologie?
Die drei Leugnungen beziehen sich auf das Verhältnis des Wortes (des Logos) zur Logik der Schrift (deren Vollstreckerin die Kirche seit ihrem Ursprung gewesen ist).


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie