Die subjektiven Formen der Anschauung sind intersubjektive Formen der Anschauung, sie sind in den Prozeß des Vergehens eingebunden. Und die Unfähigkeit, diesen logischen Mechanismus der Anschauung zu reflektieren und zu durchschauen, gehört zu den Konstituentien des Blocks, der versteinerten Welt.
Ursprung des Manichäismus: Sind nicht Werkzeuge, die ihre Erfinder, ihre Hersteller und ihre Verwender überleben, die eigentlichen Symbole der Unsterblichkeit? Ist die Unsterblichkeitslehre nicht ein Instrument der Selbstinstrumentalisierung? Es ist kein Zufall, daß die Unsterblichkeitsvorstellung in Ägypten, im Sklavenhaus, entstanden ist. Ebenso wie die Unsterblichkeitsvorstellung die Knechtsgesinnung begründet, ist sie ein Symbol des Siegs über die Materie: Das Werkzeug besiegt und überlebt die Materie, die es bearbeitet. In der Idee der Auferstehung drückt die Hoffnung der Materie, der Unterlegenen, der Besiegten: die Hoffnung der Armen, der Frauen und der Fremden, nicht die des Herrn, der selbst der Selbstinstrumentalisierung sich verdankt, sich aus.
Asymmetrie: Die Unsterblichkeitslehre bezieht sich auf mich, die Idee der Auferstehung der Toten auf die Anderen. Unsterblichkeit ist die Hoffnung, die ich für mich hege, Auferstehung die Hoffnung, die ich für andere hege (so wie ich den Tod nur als Tod der Anderen erfahre).
Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung die Pforten der Unterwelt?
Die subjektive Form der äußeren Anschauung ist das Feindschaftsprinzip, die Außenwelt ist die Feindwelt. Die subjektive Form der inneren Anschauung ist der Stein vor dem Grab, der Schlüssel zum Abgrund: das Symbol des Sieges, der Unterwerfung.
In der Dingwelt gewinnt der unterworfene Feind Macht über den Sieger. Die erste Gestalt der verdinglichten Objektwelt stand den heroischen Urhebern der Zivilisation in den Tieren und den Planeten vor Augen.
Natur und Verwirrung, die Wege des Irrtums, zum Verständnis des Naturbegriffs: Wer die Schuld auf andere verschiebt, verstellt sich selbst den Weg.
„Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand“: Gehört es nicht zu den Leistungen der subjektiven Formen der Anschauung, daß sie dem Objekt die Qualität des Begriffs und dem Begriff die des Objekts verleihen, indem sie beide instrumentalisieren? Allein in der naturwissenschaftlichen Formel, die die Sache, auf die sie sich bezieht, ausblendet, „stimmen“ Begriff und Gegenstand „überein“.
Ist nicht der Traum des Nebukadnezar, den Daniel, bevor er ihn deuten kann, selbst erst finden, rekonstruieren muß, die mythische Welt, ist nicht die Vorwelt des Rosenzweigschen Stern der Erlösung der Ansatz ihres gegenwärtigen Begriffs?
5.3.1997
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