Gehört die Geschichte der Verstockung des Herzens Pharaos zur Vorgeschichte des prophetischen Symbols des Taumelbechers (des Bechers des göttlichen Zorns und Grimms, am Ende des apokalyptischen Unzuchtsbechers)?
Zu den „Erfolgen“ der raf gehört sicherlich auch die institutionelle und verfahrenstechnische Stärkung der Ermittlungs- und Verfolgungsbehörden.
Deprimierender Eindruck der Lektüre von „20 Jahre radikal“: Diese Szene hat sich durch ihre Feindschaft gegen den „Staat“ wirklich zum Marionettentheater der Ermittlungs- und Verfolgungsbehörden gemacht. Jutta Ditfurths Satz, daß der Staat die Terroristen braucht, scheint auch umgekehrt zu gelten: Diese Szene braucht den Staat. Gehorchen nicht die Aktionen beider Seiten inzwischen dem Prinzip der selffulfilling prophecy? Aber beginnt das Ganze damit sich nicht immer mehr den naturwissenschaftlichen Großforschungsanlagen anzugleichen, die mit allen verfügbaren Mitteln nur noch die Bestätigung dessen suchen, was ihre paranoide Phantasie als Natur in die Natur hineinprojiziert?
Verhält sich die unter Theologen heute so beliebte „Rede“ zum Gerede wie das Wesen zum Gewesenen, ist nicht das erste jeweils durch das zweite vermittelt?
Sind die Dornen und Disteln im Hinblick auf die Sprache Symbole der Prä- und Suffixe und der Grammatik? Im Griechischen und im Lateinischen sind die Suffixe (ist die Flexion) das Medium der grammatischen Durchbildung der Sprachen, während sie in den modernen Sprachen, zusammen mit dem freien Gebrauch der Personalpronomina, von ihrer grammatischen Funktion sich ablösen und eine eigenständige Funktion und Bedeutung innerhalb der sprachlichen Strukturen gewinnen. An der Buberschen Bibel-Übersetzung fällt mir auf, daß der archaische Ton damit zusammenhängen könnte, daß Buber fast zwanghaft abstrakte Bildungen wie Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu meiden scheint, ebenso einige verbale Bildungen aus dem im Deutschen so verbreiteten und differenzierten System verbaler Präfixe (wie ver-, zer-, be-, ge- u.ä.), die als Weiterbildungen und Entfaltungen des Perfekts, als Ausdruck seiner vergegenständlichenden Gewalt, sich begreifen lassen. Die Kritik an der Logik dieser sprachlichen Bildungen ist eigentlich eine Kritik der Sachen, die darin sich ausdrücken: der herrschaftsgeschichtlichen Strukturen; diese Kritik wird von der Sache auf die Sprache verschoben. An die Stelle der Ausdruckskraft, die die Sprache in diesem Prozeß gewonnen hat, tritt ein Begriffsrealismus, der die Sprache durch Verdinglichung zu konservieren versucht. Vgl. die Bubersche Bildung des Wortes „Geziefer“ (in der Geschichte der ägyptischen Plagen), das es ebenso wenig gibt wie etwa ein Getüm oder das Verglimpfen. Es gehört zum Charakter und zur Logik der deutschen Sprache, zu den Gründen ihrer Ausdruckskraft, daß es in ihr Negativbildungen ohne dazugehöriges Positivum gibt (wobei das Ungetüm, das nicht zufällig an die von Gott am fünften Tag erschaffenen Meeresungeheuer erinnert, eine reine Bildung aus Prä- und Suffixen zu sein scheint, ohne „Stammwort“ – verhält es sich nicht ähnlich mit dem Begriff der Gerechtigkeit, dessen Stammwort „Recht“ erst durch eine Folge von sprachlichen Umgestaltungen und Abstraktionen zur Gerechtigkeit wird?). Ist die Vorliebe Bubers für feudale Begrifflichkeiten reiner Zufall? Verdrängt er nicht die apokalyptische, ihre eigenen Abgründe reflektierende Sprachgeschichte des Deutschen, in die auch der Feudalismus in Deutschland verstrickt ist?
Auch ein Beitrag zum Verständnis der Apokalypse: Tierischer Ernst gründet in der Unfähigkeit zur Reflexion des Indikativs (der sprachlichen Verkörperung des Weltbegriffs), in der Verwechslung von Indikativ und Imperativ, einer Form der Zwangsanpassung an die Welt (zu deren Reflexion die deutsche Sprache, indem sie in der Geschichte der Ausbildung ihrer grammatischen Formen diese Welt immer genauer in sich abzubilden scheint, die Voraussetzungen geschaffen hat). Dieser Trend scheint genau jene Entwicklung zu manifestieren, die Buber bloß verdrängt, während alles darauf ankäme, sie zu reflektieren (die Ansätze dazu finden sich bei Rosenzweig).
5.6.96
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