5.7.1995

Völker, Stämme, Sprachen und Nationen: Hängen diese Namen mit den vier Richtungen zusammen: Vorn und hinten (im Angesicht und hinter dem Rücken): Sprachen und Stämme (JHWH und Elohim), rechts und links: Nationen und Völker (Innen- und Außensicht, wie Israeliten und Hebräer)? Wem entspricht das „Haus“ (Haus Israel, Haus Juda, Haus Joseph: teils eine Volks-, teils eine Stammesbezeichnung, wobei Jakob/Israel den Stammesbildungen Judas und Joseph vorausgeht)?
Der Pharao (das „große Haus“) ist der Herr über Mizraim, „die beiden Ägypten“, ein Dualis: Ist der Pharao eine personalisierte Vorform des Neutrum, und muß das Neutrum (die Schlange) die babylonische Reichsgründung durchlaufen (zum Drachen werden), ehe es über die die grammatische Form des Neutrum (zur Substanz des Weltbegriffs, die das Tier ist) vergesellschaftet wird?
Gibt es nicht in Schellings „Weltalter“ einen Versuch, den Ursprung des Raumes zu konstruieren?
In welcher Beziehung steht die Abfolge der vier Reiche bei Daniel zur Konstellation der Stämme, Völker, Sprachen und Nationen? Und wie spiegelt sich das in dem Bild der drei Tiere (Drache, Tier aus dem Meer, Tier vom Lande und deren Attribute, die Kombination von Hörnern und Köpfen, Kronen und „gotteslästerlichen Namen“)? Sind die Attribute der Tiere neu in der Johannes-Apokalypse (zu den Hörnern und Köpfen vgl. Dan 76ff)?
Zum Begriff der Verwaltung gehört das Bild der „Verwaltungsebenen“, wobei diese Ebenen in ihrer Beziehung zur Schwerkraft sich definieren und als Grundlage der hierarchischen Stufungen zu verstehen sind, auf die Oben/unten-Beziehung (die Herrschaftsbeziehung, die im Fall gründet) sich beziehen. In der verwalteten Welt ist die Macht in die Horizontale gerutscht und so – im logischen Bild ihrer Vergesellschaftung – zu einem Problem der Religion geworden.
Zur kopernikanischen Wende: Ist nicht das Inertialsystem ein Hierarchiegenerator? Das Problem der Astrologie liegt weniger in ihrem inhaltlichen Widerspruch zum kopernikanischen System, als in ihrem formalen Apriori, in dem sie mit dem kopernikanischen System konform geht: in ihrer Beziehung zur Selbsterhaltung. Unverständlich ist der Wunsch, dessen Erfüllung die Astrologie geben zu können vorgibt.
Zum Namen des Petrus (Fels): Ist nicht der Objektbegriff, dessen sinnliche Verkörperung der Stein ist, das Symbol der dritten Leugnung? Und hängt damit – auch mit dem Namen des Petrus – das Problem des steinernen Herzens zusammen? Nachdem der Hahn krähte, ging er hinaus und weinte bitterlich: Mit diesem Weinen wird das steinerne durch ein fleischernes Herz ersetzt.
„Der Weise hat den Verstand zu seiner Rechten, der Tor hat den Verstand zu seiner Linken“ (Koh 102): Barmherzigkeit macht sehend. Der Gnadenlose wird dumm. Die Schlange war nur das klügste der Tiere.
Die Bekenntnislogik und der leere Kopf: Die Bekenntnislogik macht die Wahrheit zur Ware: austauschbar. Der Trieb, die Welt zu begreifen, wird ersetzt durch die Mechanik des Liebesentzugs; Kriterium der Wahrheit ist nicht die Einsicht, sondern der Wunsch geliebt zu werden, keinen Agressionen sich auszusetzen, Schuldgefühle zu vermeiden, die Anpassung an das, was alle denken. Keiner scheint die Abweichung von den Anschauungen des Kollektivs, durch das er sich definiert, mehr zu ertragen, auszuhalten. Das Vakuum an der Stelle, die einmal der Name des Geistes bezeichnete, erzeugt den horror, der alle zur Identifikation mit dem Aggressor treibt. Die Rekonstruktion dieses Vakuums fällt mit dem Begreifen des Ursprungs und der Funktion der subjektiven Formen der Anschauung zusammen. Homo homini lupus gilt mehr denn je, nur das Bewußtsein davon darf nicht mehr hochkommen: Das Abblenden dieses Bewußtseins leisten die subjektiven Formen der Anschauung, die Vorstellungen des ins Unendliche sich ausdehnenden Raumes und des Zeitkontinuums zusammen mit den ihnen korrespondierenden (und sie legitimierenden) Objekten: Natur und Geschichte.
Blochs Bemerkung, das Schlimme sei, daß heute niemand mehr wie Gott sein will, stimmt erst, wenn man sie genauer faßt. Daß niemand mehr sein will wie Gott, ist nämlich nur die halbe Wahrheit. Heute nämlich fühlen sich alle als Verkörperungen des Weltgerichts, aber niemand will mehr barmherzig sein wie der Vater im Himmel barmherzig ist. – Deshalb sind die Köpfe so leer, aber auch so empfindlich und rachsüchtig (Empfindlichkeit und Rachsucht gehören zur Bekenntnislogik).


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