Es gibt einen Naturgrund sowohl der Herrschaft als auch der Schrift. Der Begriff ist der gekreuzigte Name (damit die Schrift, genauer: die Logik der Schrift, erfüllt werde): Im Kontext von Joh 129 erweist sich der Name des Logos als Ausdruck der benennenden Kraft der Sprache. Realhistorisch wie auch im Realsymbol des Kreuzestodes ist der Name gekreuzigt, gestorben und begraben, ist er nur als Erinnerung: als Begriff noch gegenwärtig (der Begriff ist das durch die Logik der Schrift vergegenständlichte Wort). Diese Erinnerung verhält sich zum vergangenen Ereignis wie der Begriff zum Objekt: Sie erreicht es nicht, bezeichnet es bloß. Raumfahrt: der Greuel der Verwüstung am heiligen Ort. Ursprung der Theologie: Tod und Auferstehung Jesu haben sich angeboten als symbolische Lösung eines logischen Problems in der Ursprungsgeschichte der philosophischen Aufklärung (eines Problems, das in ihrer Beziehung zur Herrschaftsgeschichte im Kontext des Römischen Reiches entstanden ist). Grund dieser symbolischen Lösung war die Vergegenständlichung und Neutralisierung des Opfers, sein Preis dessen Verinnerlichung (das Opfer der Vernunft). Ist nicht der Tod der Initiator der Kunst wie des Mythos? Und wenn Paulus auf das Seufzen und die Wehen der ganzen Schöpfung hinweist: verweist er damit nicht auf das innerste Geheimnis der Kunst wie des Mythos? Die ungeheure Bedeutung der kantischen Antinomienlehre liegt darin, daß sie eine Beziehung der transzendentalen Ästhetik, der subjektiven Formen der Anschauung, zur Sprache herstellt. Ist die affirmative Trinitätslehre eine Verkörperung der drei Versuchungen Jesu, und weisen diese nicht zurück auf die drei Vorphasen des Sechstagewerks (tohuwabohu, Finsternis über dem Abgrund und den über den Wassern brütenden Geist Gottes)? Kann es sein, daß die ersten beiden Schöpfungstage auf das tohuwabohu, der dritte und vierte auf die Finstenis über dem Abgrund und der fünfte und sechste auf den Geist über den Wassern sich beziehen? Hinter dem Rücken: Ist der Verdacht gänzlich unbegründet, daß der Verfassungsschutz sowohl im Fall der Startbahnmorde als auch jetzt im Verfahren gegen Birgit Hogefeld die vollendeten Tatsachen geschaffen hat, die in den beiden Fällen die Anklage begründe(te)n. Was beim Celler Loch mißglückt ist, kann das nicht auch hier versucht worden sein? Wenn man davon ausgeht, daß es keine Erfindungen ohne fundamentum in re (ohne Naturgrund) gibt, dann lassen sich auch Barbaren und Wilde als Erfindungen bezeichnen. Erfindungen sind zweckorientierte technische Verfahren der Naturbeherrschung; dieser Definition entsprechen auch die Namen der Barbaren und Wilden, die beide als projektive Formen der Verarbeitung von Erfahrungen im Interesse politischer Ziele (als Produkte des Vorurteils) sich begreifen lassen. Vorurteile sind Techniken der Naturbeherrschung auf der Basis der zweiten Natur. Antisemitismus und Xenophobie lassen ohne diesen technischen Aspekt nicht sich begreifen. Seit je war Rechtfertigung, war die legitimatorische Begründung des Bestehenden, war Apologetik nur möglich im Kontext von Vorurteilsstrukturen. Die transzendentale Logik Kants war der erste Versuch der Selbstreflexion dieser Vorurteilsstrukturen. Erster Grundsatz der Ästhetik: Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten, daß sie nackt waren. Und der öffentliche Blick, der die Scham erweckt, ist immer noch der männliche Blick. Hören und Sehen, Gesicht und Wort: Die Unterscheidung Seines Bildes vom Bilde Gottes in der Geschichte der Erschaffung des Menschen (in denen Gott als Subjekt und als Objekt erscheint): Hat sie vielleicht ein Echo in der Vision des Stephanus, der „die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen“ sah und ausrief: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“. Verhalten sich die Herrlichkeit Gottes und Jesus zum offenen Himmel und zum Menschensohn wie Sein Bild zum Bilde Gottes? – Paulus wurde nur entrückt, er hat nicht den Himmel offen gesehen. Aber gehört vielleicht die unterschiedliche Fassung der Bekehrung Pauli in Apg 9 und 22 in diesen Zusammenhang (haben die Begleiter die Erscheinung gesehen oder gehört)? In den gleichen Zusammenhang gehören die beiden Stellen in der Paradieses-Geschichte: Sie waren nackt, und sie schämten sich nicht, und: Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren. – „Wenn dies zu geschehen anfängt, so richtet euch auf und erhebt euer Haupt: denn es naht eure Erlösung“ (Lk 2128). Wenn es in der Dialektik der Aufklärung heißt, daß die Distanz zum Objekt vermittelt ist durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt: Bezeichnet das nicht auch ein sprachliches Phänomen? Apokalyptik: Die Erfindung der Tiefenzeit (und die homogene Zeitvorstellung) ist eine Existenzbedingung des Tieres. Und ist nicht die Abtreibungsdebatte der Versuch der projektiven Verarbeitung eines apokalyptischen Sachverhalts? Erst im Kontext des Weltbegriffs gibt es den diabolos. Und die Engel- und Dämonenlehre (im Kontext der Apokalyptik) gehört zur Vorgeschichte der transzendentalen Logik.
7.4.1995
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