8.2.1997

Im Begriff des Endes der Offenbarung steckt auch ein politischer, ein herrschaftsgeschichtlicher Sachverhalt.
Ist die kasuistische Auslegung der Thora (z.B. der Sklavengesetze) nicht anachronistisch? Ist aus dem Wort „hebräische Sklaven“ wirklich herauszulesen, daß andere, „nicht-hebräische“ Sklaven nicht unter die Sabbatjahr-Regelung fallen? Gilt die Kasuistik nicht erst in einer Welt, die „alles (ist), was der Fall ist“?
Hat nicht die Sklavenbefreiung im Sabbatjahr etwas mit der Utopie der Befreiung Israels aus der babylonischen Gefangenschaft zu tun?
Ist das Feuer, das Jesus vom Himmel holen wollte, und er wollte, es brennte schon, das Feuer der Barmherzigkeit: das Gericht über das gnadenlose Weltgericht?
Ödipuskomplex: Der Sohn, der die Mutter heiraten will, will die Erinnerung ihres Angesichts löschen. Die Suche nach der verlorenen Zeit, ist das nicht die Suche nach dem verlorenen Angesicht?
Das Bilderverbot entzieht dem Nationalismus den logischen Grund. Und der Kampf gegen die Idolatrie ist der Kampf gegen die Wurzeln des Nationalismus: gegen das Tier und gegen die Einheit der Welt. Der Hegel’schen Logik und der Idee des Absoluten, die eigentlich nur die Reprise der Logik ist, ist der Nationalismus einbeschrieben.
Judas, die Salbung Jesu und das Geld: Die Schätzung des Geldes, die daran sich orientiert, was man mit Geld alles machen kann, gründet in der Privatsphäre, in der das Geld allein als Mittel des Konsums und als unschuldiger Anteil an der Herrschaft über andere und über die Güter der Welt wahrgenommen wird, als Verfügungsmacht. An dieses Konstrukt knüpft das Evangelium den Verrat. Ist es nicht das gleiche Konstrukt, das heute unter dem Stichwort Privatisierung seinen Beitrag zur Verrottung des längst abgestorbenen und gleichwohl weiterbestehenden Staates leistet?
Die Relativitätstheorien Einsteins: der Sabbat der Physik?
Die Allmachtsphantasien der Verwaltung stehen in einem logischen Zusammenhang mit den Exkulpationsstrategien, die das Verwaltungshandeln determinieren und beherrschen. Entscheidend ist, so zu handeln, daß niemand verantwortlich gemacht werden kann für das, was er tut. Darin gleichen die Regeln und Gesetze, die das Verwaltungshandeln bestimmen, der Unwiderlegbarkeit, die die Hegel’sche Logik auszeichnet. Der gleiche Mechanismus beherrscht und dirigiert die Entfaltung der Naturwissenschaften.


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