Die Grenzen zwischen Information, Unterhaltung und Reklame sind durchs Fernsehen fließend geworden.
Auch die Ontologie ist eine Ethik, allerdings im Banne des Selbsterhaltungsprinzips und der zum Schicksal hypostasierten Sachzwänge. Für den Zuschauer ist das Schicksal zur Unterhaltung geworden.
Sind nicht die Pflanzen aufs Licht und die Tiere auf den Sternenhimmel bezogen? So hängen der erste und der dritte, der vierte und der sechste Schöpfungstag zusammen. Aber wie verhält es sich dann mit dem zweiten und dem fünften Schöpfungstag, der Erschaffung der Feste des Himmels (und der Scheidung der oberen von den unteren Wassern) und der Erschaffung der großen Seetiere, der Fische und der Vögel des Himmels (U-Boot und Hai, Stuka und Adler)?
Heiligung des Gottesnamens: Kritik ist das Feuer, durch das der Begriff hindurch muß, um zum Namen geläutert zu werden. Kritik ist das sprachliche Äquivalent des Feuers.
Zu Hegels Dialektik von Herr und Knecht vgl.
– Ulrich Sonnemanns Hölderlin-Rezeption in seinem Essay über das „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“ und
– die biblische Konstellation von aufgedeckter Blöße und Knechtschaft in der Gestalt des Ham.
Die Hegelsche Dialektik von Herr und Knecht bezieht sich auf den Prozeß der Vergesellschaftung von Herrschaft, nicht auf die Auflösung ihres Banns.
Zum Brechen des Brotes (an dem die Jünger Ihn in Emmaus erkannten) vgl.
– die symbolische Beziehung des Brotes zur Barmherzigkeit,
– die „wunderbaren Brotvermehrungen“ und
– das Eucharistiesymbol, das heute, in der vollends verdinglichten Welt, zu Protest geht.
Ist nicht die spezielle Relativitätstheorie (das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) ein Beitrag zur Lösung des Rätsels der Physik, die allgemeine Relativitätstheorie hingegen ein Hinweis auf die Unmöglichkeit der Lösung: der realsymbolische Ausdruck der Unmöglichkeit der Lösung ist das Objekt dieser Theorie selber: die Schwere.
Gehören zu dieser „Unmöglichkeit“ nicht die Worte: „Weiche von mir Satan, deine Gedanken sind Menschen-, nicht Gottesgedanken“ (Mt 1622); „bei den Menschen ist dies unmöglich, bei Gott aber sind alle Dinge möglich“ (1926)? Ist das Objekt der Theologie heute nicht generell das Unmögliche eher als das, was Georg Lukacs einmal mit der Kategorie des objektiv Möglichen zu fassen versuchte: Nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr; aber ist nicht genau das das Unmögliche, auf das sich das Schriftwort bezieht?
Wie hängt der Schatten, über den niemand springen kann, mit der Schwere zusammen, die niemand aufheben kann? Vgl. Jes 457: „der ich das Licht bilde und die Finsternis schaffe, der ich Heil wirke und Unheil schaffe, ich bin’s, der Herr, der dies alles wirkt“.
Posaunen des jüngsten Gerichts: Edgar Morins Hinweis, daß die Musik im Film die bewegten Bildern aus ihrer flächenhaften Abstraktheit befreit, ihnen Leben, Tiefe und Gewicht verleiht, findet seine Ergänzung in einer Bemerkung Spenglers, wonach in der modernen („faustischen“) Kultur Musik die Stelle einnimmt, die in der antiken („apollinischen“) Welt die Statue einnahm. Wie der antike Tempel für die Statue, das Götterbild, gebaut wurde, so die moderne Kirche für die Musik, die sie erfüllen sollte. Hat nicht die Musik die Aufgabe übernommen, als Schutz vor dem horror vacui den leeren Raum (die Labor- und Experimentierwelt des newtonschen Kosmos) mit der Erinnerung an das aus ihm ausgeschlossene Leben zu erfüllen? – Welches Bedürfnis drückt in der allgegenwärtigen Musik heute sich aus, und vor allem: wie drückt dieses Bedürfnis in dieser Musik selber sich aus? Handelt es sich nicht erstmals um eine Musik, die nicht nur mehr den räumlichen, sondern auch den zeitlichen horror vacui vertreiben soll? (Seit wann gibt es den „Zeitvertreib“, das Wort und die Sache?) Welche Löcher müssen heute durch das allgegenwärtige Angebot an Unterhaltung gestopft werden?
Menetekel: Nimmt die Kunst wirklich dem Leben die Schwere? Gilt das „gezählt, gewogen und zu leicht befunden“ nicht für die der Ästhetik in jeder ihrer Manifestationen zugrunde liegenden Abstraktion von der Schwere (die die genetische Beziehung der Kunst zum Mythos begründet)?
8.5.1995
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