Zur Logik der Schrift:
– Der Unterscheidung der Namen der Barbaren und der Hebräer gründet in ihrer Beziehung zur Logik der Schrift.
– Die Erfindung des Fegefeuers ist das Produkt der projektiven Verarbeitung einer Erfahrung, die in der Logik der Schrift begründet ist; diese projektive Verarbeitung war der Anfang der Verdrängung dieser Erfahrung (des Abgrunds zwischen dem Wort und seiner Erfüllung).
– Hat der Begriff des Papiertigers (seine Unterscheidung vom realen Tiger) etwas mit der Logik der Schrift zu tun?
Die Jenseits-Vorstellungen des katholischen Mythos (insbesondere die Vorstellungen von Hölle und Fegefeuer) drücken Aspekte der Beziehung von Welt und Natur vor dem Ursprung der modernen Naturwissenschaften aus; sie sind ein Teil ihrer Vorgeschichte.
An der „Geburt des Fegefeuers“ ließe sich sehr präzise die Beziehung der Bekenntnislogik zur Geldwirtschaft und zum Ursprung des Trägheitsbegriffs demonstrieren. – Gehören hierzu nicht die Worte von den „Pforten der Hölle“ und dem „Schlüssel des Himmelreichs“?
Das wirkliche Thema der Fegefeuer-Diskussion ist die Beziehung der Sprache zum Inertialsystem (oder zur Logik des Geldes und zur Bekenntnislogik): Ist nicht das Inertialsystem das Instrument, mit dem wir uns die Sprache vom Leibe halten (durch die pauschale Trennung von Begriff und Objekt, Sprache und Welt; Kritik der Linguistik)?
Nationalsozialismus als Modernisierungsschub: Besteht nicht die sozialdarwinistische Kapitulation vor der Natur weiter, und unterscheidet sie sich von der direkten, brutalen Gestalt des Faschismus nur durch deren Verfeinerung, durch das höhere Maß an zivilisierter Gemeinheit?
Steckt nicht im Schöpfungsbericht, in der bei der Erschaffung des Menschen zwischen „seinem Bild“ und dem „Bilde Gottes“ unterschieden wird, die Rechtfertigung einer Theologie „hinter dem Rücken Gottes“, einer Theologie, die die Vergegenständlichung Gottes mit einschließt. Aber diese Rechtfertigung ist nicht leicht zu nehmen; sie gehört zu den Implikationen des Kelch-Symbols.
Kann es sein, daß der Akkusativ erst im Lateinischen zum Akkusativ geworden ist (mit all den grammatischen Konsequenzen, die das dann im Lateinischen hatte)? Und ist nicht die Trennung von ratio und intellectus ein Produkt der lateinischen Sprache (das im Deutschen in der Unterscheidung von Verstand und Vernunft nachwirkt)? Im Griechischen scheint es hierzu keine unmittelbare Entsprechung zu geben: Die Auflösung scheint in der griechischen archä zu liegen, in einem Begriff der Ursache, der (als Anfang oder Ursprung) von dem des Grundes noch nicht rein sich scheiden läßt, der erst im Lateinischen in causa und ratio auseinandertritt. In der archä klingt das Schuldmoment nach, das in der erst ratio neutralisiert und instrumentalisiert wird (und die Voraussetzung dafür schafft, daß der kosmos zum mundus „gereinigt“: die „Welt“ durch die christliche Erlösungslehre „entsühnt“ worden ist). Hat die ratio nicht etwas mit dem Beweis zu tun: mit der Hereinnahme des gerichtlichen Beweisverfahrens und der rechtlichen Funktion und Bedeutung des Urteils in die Philosophie (die so zur theologischen „Orthodoxie“ geworden ist)? Ist nicht erst in diesem Zusammenhang der griechische logos (mit dem der johanneische von Anbeginn verwechselt worden ist) zum Gegenstand einer theologisch instrumentalisierten Philosophie geworden?
Der Sündenfall der Moderne ist eingetreten, als die Vernunft, der intellectus, von der Sprache aufs Prinzip der Selbsterhaltung umgeleitet wurde (als deren Ursprung die Geldwirtschaft und als deren gegenständliches Korrelat sich dann das Inertialsystem erwies). Das Konstrukt des Fegefeuers enthält die Erinnerung an den „brennenden“ Schmerz dieses historisch-gesellschaftlichen Prozesses; in der Notwendigkeit der „Reinigung durchs Feuer“ drückte die Erfahrung sich aus, daß das Gesetz der Selbsterhaltung nicht das Letzte ist.
Das Inertialsystem (die Bindung des Denkens ans Anschauen) ist der Pfropf im Ohr der Vernunft (Grund der Umwandlung des Hörens in Gehorsam).
Hegels Begriffe sind allesamt hypostasierte (durch Projektion ins Vergangene zu Eigenschaften vergegenständlichte) Tätigkeiten; die Urbegriffe wie Sein und Wesen sind Namen für Verbrechen wie „Mörder“ und „Dieb“; Hegels Logik ist das Gefängnis, in dem sie ihre gerechte Strafe verbößen. Wer die Welt auf ihr vergangenes Tun festnagelt, verrät um der Selbsterhaltung (und des Wissens) willen die Umkehr und schließt das Erbarmen und die Hoffnung aus.
8.8.1994
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