9.8.1994

Die Trennung von Natur und Welt ist die Folge (das Ergebnis) des Durchschlagens des gordischen Knotens (des Knotens, der Joch und Deichsel des Ochsenkarrens verband). Durch diese Trennung wurde der Knoten festgezurrt, nicht gelöst. Ist Natur das Joch, die Welt die Deichsel? Nachdem der Knoten durchschlagen wurde, ist er nicht mehr einfach, sondern nur noch siebenfach zu lösen (Lösung der sieben Siegel, Befreiung von den sieben unreinen Geistern).
Das Feuer ist die Grenze zwischen dem Inertialsystem und dem Wort (der Erfüllung des Worts), während das Wasser die Grenze zwischen dem mythischen Wort und der philosophischen Aufklärung (zwischen Mythos und Philosophie) war. Nach dem Licht des ersten Tags schuf Gott am zweiten Tag die Feste, die die oberen von den unteren Wassern trennt, und nannte sie Himmel. An dieser Feste befestigte er am vierten Tag die Leuchten.
Zur Logik der Schrift: Das Problem des Autors ist ein Eigentumsproblem (das Prioritätsproblem und das Problem des Plagiats). Schrift gibt es erst in einer Privateigentumsgesellschaft (und die Prophetie rührt von innen, die Apokalypse von außen an die Grenze der Logik der Schrift; deshalb gehört zur Prophetie die Schöpfungslehre und zur Apokalypse die Vorstellung des Weltuntergangs).
Zur Kritik des Naturbegriffs: Die Orthodoxie spricht das innere Geheimnis des Naturbegriffs aus. Das deus sive natura ist eine innere Konsequenz aus einer von der Bekenntnislogik beherrschten Theologie. Der Ursprung der Herz-Jesu-Verehrung fällt in die gleiche Phase wie die Einführung der Ohrenbeichte, des Zölibats, die Geburt des Fegefeuers, der Ursprung der Eucharistie-Verehrung.
Hängt die Geburt des Fegefeuers zusammen mit dem neuen Bild der Maria Magdalena (der Büßerin)? Ist das Fegefeuer nicht ein Beleg dafür, was aus der Umkehr wird, wenn sie zur Buße verfälscht wird (wenn die Umkehr selber aus dem Blickfeld gerät)? Ist das Fegefeuer nicht nach Auschwitz obsolet geworden (wie es tatsächlich aus der kirchlichen Frömmigkeit verschwunden ist)? Wenn in der Apokalypse Paulus das Tier vom Lande ist, wer ist dann Petrus?
In der Passionsgeschichte sind die Jünger geflohen, hat Petrus den Herrn dreimal verleugnet, nur die Frauen haben standgehalten.
Geht nicht dem „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“ ein Verschließen der Augen (ein Verschließen des „Gesichts“) voraus? Orion und die Plejaden: das Siebengestirn wird gebunden, die Fesseln des Orion werden gelöst (Hiob 3831)?
Die Unterscheidung Seines Bildes von dem Bilde Gottes bei der Erschaffung des Menschen: Ist das nicht schon die Unterscheidung der Juden und der Heiden (die Trennung der Prophetie von der Philosophie), und hängt das nicht mit der Trennung der Wasser unterhalb und oberhalb der Feste zusammen? Aber wäre dann nicht die Philosophie in der Tat der mystische Leib Christi?
Hat die Kirche in der Eucharistie nicht die Barmherzigkeit wieder zurückgestaut ins Opfer? Ist nicht der christliche Begriff der Liebe ein blasphemischer Versuch, die Barmherzigkeit von der Gerechtigkeit zu trennen: eine Religion ohne Gottesfurcht zu etablieren? Und liegt das nicht in der Konsequenz des Konzepts von der Entsühnung der Welt?
Die Ambivalenz der christlichen Tradition rührt daher, daß sie sowohl als Instrument der fortschreitenden Naturbeherrschung sich erwiesen hat als auch als Mittel ihrer Reflexion.


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