9.9.1994

Die Sündenvergebung ändert in erster Linie den, der vergibt, nicht den, dem vergeben wird. Sie ist ein anderer Ausdruck dafür, daß Joh 129 zum Nachfolgegebot gehört: sie ist ein Teil des Auf-sich-Nehmens der Sünde der Welt. Wie die Feindesliebe gehört sie zur Umkehr: Zum Verzicht auf den weltlichen Gebrauch des Schuldverschubsystems, auf den Versuch, durch Projektion auf andere sich selbst zu entlasten. Dazu gehört die Kraft der Identifikation, die nur durch die Reflexion des Urteils hindurch zu gewinnen ist: Hier gründet die erkenntniskritische Relevanz der Umkehr.
Der Blick von unten: Der Blick von oben ist (wie die Idee der zeitlosen Wahrheit, die diesen Blick zur Grundlage hat) herrschaftsstabilisierend und fördert das Vergessen, während der Blick von unten auf den Zeitkern der Wahrheit abzielt, auf ihrem Aktualitätsbezug insistiert und von der Kraft der Erinnerung lebt.
Der Weltbegriff bezeichnet die Totalität der Objektdefinitionen: Die Welt des Jägers ist die Welt, in der das Hervortreten und die Bedeutung der Objekte durch das Jagdinteresse sich bestimmt. Die allgemeinste Gestalt der Welt ist die durchs abstrakte Selbsterhaltungsinteresse definierte Welt (zu der die gesamte Natur gehört). Durch ihre Beziehung zur Selbsterhaltung konstituiert der Weltbegriff als seinen eigenen Subjektbegriff den des Tieres, nicht den Menschen. Der Weltbegriff definiert die Grenze zwischen Pflanze und Tier, nicht die zwischen den Tieren und den Menschen. Auf diesen Zusammenhang bezieht sich das Wort von der Sünde der Welt in Joh 129. Hierin gründet auch der apokalyptische Gebrauch des Tieres als Symbol der Weltreiche sowie der messianische Titel des Menschensohnes, der als Freiheit vom Totemismus sich begreifen läßt (wie das Gott wohlgefällige Opfer Abels als Absage an den Totemismus, an dem die Opfertheorie sich scheidet: die durch Instrumentalisierung die Versöhnung hintertreibt, auf die das Opfer seiner eigenen Intention nach abzielt).


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie