Das Bekenntnissyndrom vollendet sich in der Wertphilosophie und im damit verbundenen Personalismus. Nicht zufällig ist Scheler einmal katholisch geworden, hat seine Philosophie in der Zeit zwischen den Weltkriegen eine bestimmte Form der philosophischen Adaptation des Katholizismus geprägt. Hier wurde die Spitze der Remythisiserung erreicht: der Punkt, an dem die Umkehr hätte erfolgen müssen. Die versäumte Umkehr fand dann ihren präzisesten Ausdruck im fundamentalontologischen Höllensturz, in dem insbesondere der Personalismus sich als nicht haltbar erwies und völlig einbrach (Geworfenheit des Daseins, seine Verfallenheit an das Man).
Nach Scheler ist der Mensch als Person Gegenstand der Ethik. Seine „aktiv transzendenten Akte (Gesinnung, Wille, Handlung)“ unterliegen dem Werturteil: Deshalb ist die Person „Wertträger“ (vgl. N. Hartmann: Ethik, S. 227ff). Diesen objektiven Zusammenhang (der Werturteile) denunziert Heidegger später als den des Geredes. Als Person begreift das Subjekt sich selbst (und andere) als Objekt des Urteils anderer, es sieht sich selbst durch die Augen der anderen (als Gegenstand des Geredes). Im Zusammenbruch der Wertethik trat die Gemeinheit dann offen zutage, die die Wertethik (als Theorie der Urteile, die hinter dem Rücken der Betroffenen über sie gefällt werden) noch scheinbar harmlos vorbereitet und verbreitet hat. Die Instrumentalisierung der Wertethik ist der Faschismus (Vermeidung des offenen Gesprächs, Denunziation, Informationen und Urteile als Mittel der Intrige etc.: Inbegriff/System der Gemeinheit, in deren Konsequenz der Mord liegt). Person ist das vorbezeichnete Objekt des Rechts und der Verwaltung: bis hin zur Liquidierung.
Person, Bekenntnis, Antisemitismus: Jedes Bekenntnis bekommt Gewicht erst dadurch, daß sich gleichsam die Person selbst in die Waagschale wirft; mit dem dohenden Hinweis: wer das Bekenntnis angreift, greift mich, die Person, an („Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“). So wird das Bekenntnis unwiderlegbar, aber um den Preis der Unbelehrbarkeit (vgl. Sartres Portrait eines Antisemiten).
28.12.90
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