03.02.91

Dieser Tage eine Meldung in den Nachrichten: Das israelische Fernsehen bringt jede Nacht live das Bild der Skyline von Tel Aviv; so können die Menschen dort bei einem Raketenalarm in ihren Schutzbunkern direkt den Anflug und evtl. den Einschlag der irakischen Raketen beobachten. Erfüllung der ebenso wahnsinnigen wie makabren Vorstellung (letztlich der Idee des Fernsehens überhaupt): Zuschauer bei der eigenen Vernichtung, zuletzt auch beim Weltuntergang zu sein. – Konsequenzen für eine Kritik der Metaphysik (als Inbegriff der Theoria, der kontemplativen Erkenntnis – auch der Idee der seligen Anschauung Gottes?) und der Transzendentalphilosophie (der Bedeutung der subjektiven Formen der Anschauung für den Erkenntnisprozeß).
Selbstzerstörung der Theologie durch die Metaphysik, durch ihren Gegenstands- und Wahrheitsbegriff.
„Das Bekenntnis (zu den USA im Golfkrieg) begründet unsere Glaubwürdigkeit“: Mittlerweile sind Fragen, die durch Vernunft zu entscheiden wären, schon Bekenntnisfragen geworden; steckt darin die deutsche Krankheit, sich gleichsam nur noch von außen: im Spiegel der Öffentlichkeit zu sehen und so jede Äußerung als Bekenntnis vor der Öffentlichkeit (der Weltmeinung, der Geschichte: dem Weltgericht, als das wir in gut hegelscher Tradition das Ende des letzten Weltkrieges erfahren haben) zu bewerten? Geht es hier nur darum, daß andere „uns glauben“ (und so unser Selbstbewußtsein begründen), und nicht darum, daß wir die Souveränität einer Selbstgewißheit gewinnen, die aus der Kraft der Begründung unseres Handelns erwächst?
Die Abdankung des Subjekts vor der Natur (durchs Bekenntnis, durchs Tauschprinzip und durchs Trägheitsgesetz) ist der Grund der Aggression und des Fanatismus: der Mordlust des Existentiellen.
Identität und Gegensatz (Feindschaft) von Welt und Natur, Tauschprinzip und Trägheitsgesetz (Genesis und Geltung). Natur ist der Inbegriff des Anderen der Welt, des Nichtidentischen, des Nicht-Säkularisierbaren; aber dieses Andere, Nichtidentische, Nicht-Säkularisierbare ist durch die Konstituierung und die Geschichte der Welt vermittelt, ist Produkt der Säkularisation. Der Sieg der Welt über die Natur ist ein Pyrrhus-Sieg: der Besiegte ist nicht die Natur, sondern die Welt selber. Der Feminismus vertritt die Natur gegen die Welt.
Läßt sich die Geschichte von Kain und Abel (und dann Set) auf das Verhältnis von Welt und Natur beziehen? Abel (der Hirt) ist der Jüngere, Kain (der Ackerbauer) der Ältere (und nach dem Brudermord der Gezeichnete und ein Städtegründer, der die Stadt nach seinem Sohn Henoch benannte; und in der letzten Generation die Begründer von Technik und Kultur). Die Welt als urgeschichtlicher „Brudermörder“, der Brudermord die Grundlage des Fortschritts. – In der Nachfolge Sets „begann man den Namen des Herrn anzurufen“, sie endet mit Noach (Adam benannte die Tiere, Abel brachte das erste Tieropfer dar, Noach rettet die Tierwelt vor der großen Flut).
Ist der Zeugungsbegriff in der Trinitätslehre ein Indiz ihrer Unwahrheit? Er unterstellt, daß der Sieg der Welt über die Natur erreichbar, ja schon erreicht sei. Der Begriff der Zeugung ist ein Weltbegriff, kein Naturbegriff (oder vielmehr: ein von der Welt usurpierter Naturbegriff)? – Filius meus es tu, hodie genui te? Wie hängt die Zeugung mit dem Zeugen und dem Zeugnis zusammen (das patrimonium mit dem testimonium)?


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