01.08.91

Das „tu es Petrus“, die Schlüsselgewalt und die Verheißung, daß die Pforten den Hölle die Kirche nicht überwältigen werden, gehören zusammen. – Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen, aber die dritte Leugnung geht bis zu Selbstverfluchung (präzise Beschreibung dieser Selbstverfluchung im Kontext der Eucharistie: wer dieses Brot und diesen Wein unwürdig genießt, der ist und trinkt sich das Gericht?). – Die Pforten der Hölle: Sind das nicht Physik, Ökonomie und das Bekenntnis? Und hängt nicht insbesondere das Bekenntnis mit der Eucharistie zusammen?
Ist das Bekenntnis-Problem erst dem durch Faschismus und Auschwitz geschärften Blick sichtbar geworden?
Das Unverständnis dessen, was der Name in der jüdischen Tradition bedeutet, des Kontextes, in dem dann auch im NT der Begriff des Bekenntnisses des Namens steht, war der Preis, der für das Urschisma, für die Trennung des Christentums von seiner jüdischen Vergangenheit, gezahlt worden ist. War dieser Preis nicht zu hoch?
Der Begriff spricht das Objekt nicht an, sondern spricht über das Objekt, d.h. er entspricht präzise der Situation bei der zweiten Leugnung des Petrus.
Ist es von Bedeutung, daß die Geburt Jesu zusammenfällt mit einer Volkszählung, zu der Maria und Josef in ihre Heimatstadt Bethlehem gehen mußten?
Lukas: „Denkt an Lots Weib“.
Was ist der Unterschied zwischen Gewalt, Macht und Herrschaft? Gibt der Spruch: „Anarchie ist Macht ohne Herrschaft“ Sinn?
Die Erkenntnis des Guten und Bösen ist das Prinzip der urteilenden Erkenntnis. Darauf ist das „Richtet nicht …“ eine späte Antwort.
Was heißt conjugare und declinare? Haben Konjugation und Deklination etwas mit der Dreidimensionalität des Raumes (mit Orthogonalität und Irreversibilität) zu tun? Ist der Begriff der Umkehr nicht präzise definiert durch das Verhältnis von „im Angesicht“ und „im Rücken“ (statt Rechtfertigung: die Verteidigung des andern)?
Ist die Definition der Geraden im Raum nicht selbstreferentiell: die Gerade wird durch die Bahn des Lichtstrahls definiert; danach kann man erst sagen, daß das Licht geradlinig sich ausbreitet?
Die Stelle mit Assur, Ägypten und Israel: wer war das Werk seiner Hände? Gibt es hier eine Beziehung zur Trinitätslehre und zum dreidimensionalen Raum?
Es gibt nur zwei legitime Positionen zur Prophetie: Entweder man ist selbst ein Prophet, oder man ist Adressat der Prophetie. Die Position des objektiven, unbeteiligten Zuschauers gibt es nicht (es sei denn um den Preis des Antisemitismus). Kann es sein, daß im Christentum diese beiden legitimen Positionen zu Prophetie zusammenfallen, Jesus sowohl Prophet als auch Adressat der Prophetie ist, und diese Verbindung im Nachfolgegebot an die Christen weitergegeben wird? Repräsentieren Islam und Christentum diese beiden Momente getrennt (das Christentum den vergöttlichten Adressaten, der Islam einen der Propheten)? Der Islam macht halt, schrickt zurück vor der Vereinigung des Propheten mit dem Adressaten der Prophetie; für ihn ist Jesus nur einer der Propheten und Mohammed dann der letzte. Aber da ist kein Messias, kein Erlöser: keine Umkehr. Der Islam ist gleichsam die positivistische Religion.
Die Revolution der verlorenen Generation (insbesondere in der BRD) ist eine Folge der unaufgearbeiteten Vergangenheit: eine Revolution aus dem Blickwinkel frustierter Konsumenten (die an der Vorstellung festhalten, der Staat sei der Ernährer der Menschen); für das, was ihnen entgeht, halten sie sich schadlos an der Realität. Der Marxsche Revolutionsbegriff, der sich auf das Proletariat bezieht, bezieht sich damit auf die gesellschaftliche Schicht der Produzenten, erwartet damit, daß in der Revolution dieses produktive Element zu sich selber kommt und die Alternative zur bestehenden Gesellschaft dann auch realisiert, während bei der lost generation die Alternative nicht einmal im Ansatz sichtbar ist. Das Anarchie-Konzept trägt nicht. – Das Wahrheitsmomment in der verlorenen Revolution heute liegt in der Wahrnehmung, in der Einsicht, daß das, was heute Produktion heißt, die Lebensgrundlage derer, die hier in den Metropolen leben, die Zerstörung der der Lebensgrundlagen der überwiegenden Mehrheit der Menschen in der Dritten Welt mit einschließt, d.h. in einem alle Vorstellung übersteigenden Maße kontraporduktiv geworden ist.
Dieses schlimme christliche Harmonie-Bedürfnis: wir tun so, als brauchten wir nur ergriffen sein, und wenn wir spüren, daß wir in Gottes Hand sind, wären wir es auch schon. Dieses Harmonie-Bedürfnis (insbesondere in Deutschland) ist eine der Folgen der unbewältigten Vergangenheit. Wir können diese Vergangenheit nicht mehr abwerfen, wir haben nur diese eine. Wir können keine Vergangenheit mehr abwerfen; der einzige Weg führt durch die Erinnerungsarbeit hindurch.
Idolatrie: Entlastung, Exkulpierung durch Projektion der eigenen Schuld nach draußen, durch Delegation der Verantwortung: Schuldig sind die Götter; Freiheit gibt es nur durch Komplizenschaft. Dieses Konzept hat das Christentum durch die Opfetheologie in seine Theologie mit hereingenommen. Das jedoch war nur möglich unter gleichzeitiger massiver Verletzung des Nachfolge-Gebots.
Franz Rosenzweig ist wirklich der Mann, der unter die Räuber fiel. Vor allem eines macht die erkenntnistheoretische Rezeption des Begriffs der Umkehr so wichtig. Franz Rosenzweig gebraucht hier das Bild mit dem Koffer: was zuerst hineingetan wurde, wird nachher in umgekehrter Reihenfolge wieder entnommen. D.h. es geht nichts verloren (und es wird nichts überwunden)! – Die „Überwindung“ von Vergangenem ist der Einlaß des Heidnischen, des Vergangenen, ins Christentum; er bezeichnet die genaue Gegenposition zur Umkehr. Hier ist Umkehr vonnöten.
Das Hegelsche Absolute ist in der Jotam-Fabel beschrieben worden.
Es gibt eine Schuld, die nicht mehr beichtfähig ist. Diese Schuld („die Schuld der Welt“) ist der genaue Gegenstand des Nachfolgegebots (und der Schlüsselgewalt der Kirche). Die Welt ist der Inbegriff der unaufgelösten Last der Vergangenheit. Sie trifft alles, was in ihren Bannkreis hineingerät, von hinten. Der Kristallisationskern, an den sich der Weltbegriff, die Struktur und die Ausgestaltung der Philosophie und auch die Institution des Staates anschließt, ist das Prinzip der Selbsterhaltung; in der aus der Philosophie stammenden Lehre von der Unsterblichkeit der Seele wird dieses Prinzip der Selbsterhaltung über das zeitliche Ende des Lebens, den Tod, hinaus verlängert: verankert sich die Welt im Jenseits (und vergiftet es).
Früher haben die Philosophen die Schrift allegorisch gelesen. Heute sollten die Theologen die Philosophie allegorisch lesen.
Die Abtreibungsdebatte: der moralische Aufhänger, an dem man so schön die eigene Gemeinheit wieder ausleben kann. Wo steckt der Grund, die Ursache für den Projektionszwang; was motiviert diese Debatte und heizt sie an? Auf welche Abtreibung bezieht sich die Kampagne objektiv?
Woran hängt die Logik der kantischen Antinomien der reinen Vernunft; wird sie getroffen durch die Kritik des Objektivierungsprozesses (Zusammenhang mit den Hegelschen Reflexionsbegriffen, mit dem Beginn der Hegelschen Logik; nur hier sind die Dinge mit dem Begriff des Seins schon gelaufen, ist die Philosophie schon der ontologischen Sucht verfallen)?
Im Säkularisationsprozeß verlängert sich mit der Konstituierung der Welt das Gedächtnis, während die Erinnerung verschwindet (auch ein Problem der Zeitdilatation?).


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