Ja sagen zu etwas heißt sich zu etwas bekennen. Das reflexive Sich im „sich (zu etwas) bekennen“ kann Ausdruck der Befreiung sein (es endlich aussprechen können, die Last der Verdrängung loszuwerden), ist aber heute immer mehr Ausdruck der Unterwerfung unters Kollektiv, der Identifikation mit dem Aggressor (das Sich geborgen Fühlen in der Gemeinschaft mit der Lust, ohne Skrupel hassen, sich der Wut überlassen zu dürfen: Genesis der „Mordlust“). Modell dessen ist der Raum, die „subjektive Form der Anschauung“ Kants: die Ablenkung der Wut auf die außermenschliche Natur.
Die Logik der Welt ist herzzerreißend und entsensibilierend: mörderisch. So hat sie vielleicht tatsächlich mit dem Kreuz zu tun.
Nicht der Begriff des Gestells, sondern der des sich selbst verurteilenden Gerichts bezeichnet die Signatur des technischen Zeitalters.
Der Raum ist der letzte Niederschlag der Erkenntnis des Guten und Bösen (er entzieht der Unterscheidung zwischen links und rechts, zwischen Barmherzigkeit und Gericht, den Boden). Das kopernikanische Weltbild ist in der Tat ein Bild: eine mathematische Vereinfachung, aber um den Preis der Zerstörung der Sprache und der Theologie (Verletzung des Bilderverbots). Mußte die Sprache durch diesen Tod hindurch?
Verhältnis von Begründung und „Aufspannen“ (Erde und Himmel) zum Raum: entspricht dem Verhältnis von Orthogonalität und „unendlicher Ausdehnung“ des Raumes (Trennung von Raum, Zeit und Materie und Konstituierung der spannungslosen trägen Masse, die dann ohne Vermittlung identisch ist mit der schweren Masse, dem Bezugspunkt des Gravitationsgesetzes), wird so zugleich neutralisiert, nach innen verlagert und erinnerungslos erhalten. Im neutralisierten Raum (und in der formalisierten Logik) entfällt mit der Logik der Begründung die Kraft, der Atomisierung der „Empfindungen“ (und der Erkenntnis) zu widerstehen. Begründung wird durch Gesetz und Kausalität, Entsprechungen werden durch Wechselwirkungen ersetzt. – Bedeutung der Orientierungsmetaphern: vorn und hinten (im Angesicht und hinter dem Rücken), rechts und links (Gnade und Strenge), oben und unten (Großmut und Niedertracht, Erlösung und Verdammnis, Segen und Fluch).
Spr 316: „Langes Leben birgt sie (die Weisheit) in ihrer Rechten, in ihrer Linken Reichtum und Ehre.“
Den Tod kennen wir nur als den Tod der anderen (und vermeiden heute den Schluß, daß auch wir sterblich sind; wir ziehen uns zurück auf den Punkt, schon dem Totenreich anzugehören, und das ist unsterblich). Ebenso kennen wir die gesamte Physik nur als ein Weltsystem, in das als Subjekt der andere mit eingeht (Intersubjektivität, konstituiert durch den Tod des Individuums, das ja ohnehin nur der andere ist, dessen dann nicht mehr gedacht zu werden braucht: so konstituiert sich die „reine Objektivität“ der Physik). In der gleichen Konstellation entspringt der Begriff des Bekenntnisses, und wenn nach der logischen Struktur dieses Konstrukts Frauen nicht bekenntnisfähig sind, so ist das nicht nur als Mangel anzusehen (vgl. Gen 315 i.V.m. Gen 314u.19).
Wenn Kant die Welt gegen die Schule vertritt, so übersieht er, daß der Weltbegriff auch ein Schulbegriff ist (vgl. die Schöpfungslehre bei Augustinus und Thomas).
Die sieben Gemeinden, die sieben Siegel, die sieben Engel mit den Posaunen und die sieben Engel mit den Schalen (sieben Plagen).
Es ist entsetzlich, wie der Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus zur Exkulpierung des Westens mißbraucht wird. Hier setzt sich das hegelsche Weltgericht in einer Weise durch, die nachträglich die „List der Vernunft“ als dezisionistisch enthüllt. Gleichgültig, ob man als letzte Instanz die Geschichte, das Ausland oder die Welt bemüht, in jedem Falle wird das Gewissen namen- und gegenstandslos gemacht. Auf dieser Grundlage blüht
– in der Verwaltung ein Ressortdenken, bei dem es nicht mehr darauf ankommt, das Richtige zu tun, sondern, was man auch tut, es so zu tun, daß man später nicht haftbar gemacht werden kann,
– während auf der Ebene der Justiz, wie im Kontext der rechtlichen Aufarbeitung der Vergangenheit und im gesamten Verfahren der rechtlichen Bearbeitung des sogenannten Terrorismus leicht zu erkennen ist, die Idee der Gerechtigkeit selber angegriffen wird, in Zynismus sich auflöst.
Die Kantische subjektive Form der Anschauung ist Produkt der Identifikation mit dem Aggressor. In ihr setzt sich die Welt gegen das Subjekt durch. Schiffsbruch mit Zuschauer: steht das nicht in der Tradition dieser subjektiven Form der Anschauung, die diese kontemplative Distanz erst ermöglicht. Das transzendentale Subjekt ist das Subjekt als Zuschauer der Welt. Und was der Zuschauer in dieser Welt sieht, steht unter dem (heute von der Kulturindistrie manipulierten und ausgebeuteten) Gesetz des Apriori, ist Produkt der Synthesis.
Das Schema Jisrael klärt das Verhältnis der hebräischen Sprache zu den Israeliten.
Nur Abraham, Isaak und Ijob starben „alt und lebenssatt“:
– Abraham: „starb in hohem Alter, betagt und lebenssatt, und wurde mit seinen Vorfahren vereint“ (Gen 258);
„… starb in gutem Greisentum, alt und satt, und wurde zu seinen Volksleuten eingeholt“ (Buber)
– Isaak: „starb und wurde mit seinen Vorfahren vereint, betagt und satt an Jahren“ (Gen 3529);
„Er starb und wurde zu seinen Volksleuten eingeholt, alt, an Tagen satt“ (Buber)
– Jakob: „Dann verschied er und wurde mit seinen Vorfahren vereint“ (Gen 4933);
„… verschied un wurde zu seinen Volksleuten eingeholt“ (Buber)
– Ijob: „Dann starb Ijob, hochbetagt und satt an Lebenstagen“ (Ij 4217).
„Ijob starb, alt, an Tagen satt“ (Buber)
08.11.91
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