Der stärkste Widersacher des Hauptamtlichen ist der Selbsternannte (Dirk Treber: „selbsternannte Alt-Grüne“). Ernannt werden darf nur im Rahmen der Ermächtigung zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben: So konnte Kohl z.B. das deutsche Volk zum „ausländer-freundlichsten Volk“ ernennen (Unterschied zwischen er- und benennen: Kohl meint das Amt, nicht das Wesen dieses Volkes). In diesen Kontext gehört es, daß die Pogrome gegen Flüchtlinge sich nach dieser Logik nicht gegen Flüchtlinge und Ausländer, sondern gegen den „deutschen Namen“, über den sie „Schande“ bringen, richten (vielleicht sind ja auch die Juden in Auschwitz nicht ermordet worden, sondern auch da wurde nur der deutsche Name befleckt). Dies ist die Logik geprügelter Kinder: man darf alles, sich nur nicht erwischen lassen.
Haben die Präfixe und Suffixe ihren Ursprung in der agglutinierenden Sprache der „Sumerer“? Gibt es eigentlich in anderen Sprachen auch ein so ausgebildetes und differenziertes System von Prä- und Suffixen wie im Deutschen? Und sind die Prä- und Suffixe nicht verdinglichende Projektionen der Ohnmacht (der durch Substantivierung versteinerten Herrschaftsstrukturen), die die Objektivität zugleich fixieren und aufschlüsseln, so daß mit ihrer Reflexion die Wahrheit selber erkennbar wird.
Sind im Griechischen und Lateinischen (und vom Ursprung her auch im Deutschen?) Präfixe im allgemeinen nur mit den Verben zusammengeschlossene Präpositionen?
Die Prä- und Suffixe sind Ausdruck des Ursprungs der Begriffe aus der Schicksalsidee (Beispiel: Ich fühle mich wie zernichtet durch den entsetzlichen Fatalismus der Geschichte).
Kann es sein, sein, daß es für die einzelnen Prä- und Suffixe Schlüsselworte gibt? Z.B. vernichten, zerstören, erschaffen, entstehen, bekennen, anschauen, aufbauen (alles Verben, die aus dem Kontext der Verdinglichung, Objektivierung, sich begreifen lassen?)
Christlichkeit und Christenheit: -keit drückt den Charakter, das Wesen, aus, -heit das kollektive Subsumtionsverhältnis (diese Differenz gilt nur bei Personen, nicht bei Sachen). Wird -keit immer zusammen mit -lich oder -ig gebildet, und was bedeuten diese Suffixe? Vgl. auch Hoheit (Eure Königliche Hoheit, hoheitliche Aufgaben) und Hörigkeit (zentrale Wortbildungen der durch Prä- und Suffixe bestimmten Sprache). Doppelbildungen wie Hoheitlichkeit (Charakter der Aufgaben des Beamten, Amtscharakter -Zusammenhang mit Obrigkeit: persongewordene Begriffe). Die lateinischen Würdebezeichnungen wie Magnifizenz und Eminenz sind dagegen keine Suffix-, sondern Partizipalbildungen (während im Deutschen der Wohltuende von Wohltätigkeit, die Partizipal- von der Suffixbildung, unterschieden wird: unterscheidet sich auch der Tuende vom Tätigen (der Wohltuende hat das Objekt, der Wohltätige des Subjekt der Wohltat im Sinn)? – Vgl. auch Tätigkeit und Tätlichkeit).
Wodurch unterscheiden sich Partizipien vom Gerundivum (Partizip Präsens mit zu)? Ist das Gerundivum der verdinglichte, gegenständlich geworden Imperativ, Auftrag: das zu Bekennende, das zu Erläuternde, das zu Bezahlende (Vorläufer des Sachzwangs)?
Gibt es einen Zusammenhang der agglutinierenden Sprachstruktur mit der Idolatrie und dem Sternendienst?
Durch Substantialisierung wird die Sprache in die Zone des Falles gerückt (in die Deklinationsfalle).
Wie unterscheidet sich das „libera nos a malo“ vom „befreie uns von dem Bösen“?
Theologische Bedeutung hat das „schaffen“ nur im Präteritum (im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde), während das frei konjugierbare „erschaffen“ die theologische Tradition der creatio ex nihilo in sich enthält.
Hängt die Ausbildung der durch Prä- und Suffixe und durch Präpositionen charakterisierten Sprache (der indogermanischen Sprache?) zusammen
– mit der Änderung und Ausweitung der Konjugationen (insbesondere der futurischen Formen) und
– mit der Herausbildung und Fixierung von Denkstrukturen, dem räumlichen, objektivierenden, verdinglichenden Denken entgegenkommen?
Und welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang das Barock:
– hinsichtlich der Ausbildung der Titel (Hoheit, Ableitung der hoheitlichen Aufgaben), der Hereinnahme der Ehrenbezeichnungen in die Sprache, und
– die Substantialisierungstendenzen, insbesondere die Einführung der Majuskel zur Kennzeichnung der Substantive (in England nur zu Kennzeichnung der Personen)?
Was hat -haft mit „Haft“ und -bar mit „bar“ zu tun? Steckt darin nicht die Erinnerung an die Schuldknechtschaft? Und bezeichnet der Begriff der Schuldknechtschaft nicht den Grund der Vergesellschaftung immer noch am deutlichsten? Ist nicht das Bekenntnis die vergeistigte Schuldknechtschaft?
Vergleiche auch -lich und -ig, die adjektivischen Entsprechungen von -keit und -heit, auch -sam (arbeitsam, strebsam) und -sal (wie Schicksal, Labsal, Mühsal: von mühselig). Woher kommen diese Suffixe, und was drückt sich sprachphilosophisch darin aus?
Ist die deutsche Sprache das bis heute unaufgeschlossene Gedächtnis dieser Herrschafts- und Versteinerungstendenzen, ist sie damit nicht in einem ungeheuren Maße schuldbelastet und so das vorbezeichnet Objekt von Erinnerungsarbeit? (Gibt es nicht merkwürdige Hebraismen in der deutschen Sprache: insbesondere das affirmative „ja“?)
Volk als Schicksalsgemeinschaft; Beziehung des Volksbegriffs (des Begriffs des Völkischen) zum Begriff des Begriffs: Sind bei Hegel nicht die Volksgeister die Träger des Weltgeistes, die die Aufträge des Weltgeistes auszuführen haben und, wenn sie ihn erfüllt haben, zugrunde gehen? Ist hier nicht der Quellpunkt des Antisemitismus (als Konsequenz aus dem völkischen Verständnis der Idee des „auserwählten Volkes“ und, weil dieses Volk sich dem Auftrag des Weltgeistes entzieht, eigentlich seit seinen Anfängen in Opposition zum Weltgeist gestanden hat) Dagegen ist das Christentum seit seiner Anpassung an die Welt, seit Beginn des Dogmatisierungsprozesses, insbesondere seit der Ausformulierung der Trinitätslehre, zum genauesten Selbstausdruck des Weltgeistes geworden. Das „Geht hinaus in alle Welt“ ist nur affirmativ verstanden, sein weltkritischer Aspekt dagegen verdrängt worden. Aber hat das Christentum damit nicht bewußtlos die Schuld der Welt auf sich genommen, und ist es nicht gerade so absolut schuldig geworden?
30.11.91
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