Zu Derridas Kritik des Logozentrismus: nochmal die Christina von Braun lesen.
Die Hypostasierung der Natur ist der Versuch, einen anti-christologischen Schöpfungsbegriff zu etablieren; die Idee eines stummen Schöpfers, eines Schöpfers, der ohne die Sprache erschafft (ebenso wie die Welt die Idee eines stummen Gerichts vor Augen stellt: eines ohne die Möglichkeit einer Einrede gefällten und sogleich vollstreckten Urteils. Der Säkularisationsprozeß ist ein Prozeß ohne Verteidigung, ein Prozeß, in dem der Verteidiger nur stört, Sand im Getriebe ist.
Keine Philosophie wurde schneller vergessen als die Adornos: nämlich von seinen eigenen Schülern.
Ist ein Raum vorstellbar (konstruierbar), in dem nur zwei Dimensionen umkehrbar sind. die dritte hingegen unumkehrbar.
Büchners Lenz hatte bei der Wanderung durch die Vogesen den Wunsch, auf dem Kopf zu gehen; umgekehrt wollte Marx den Hegel vom Kopf auf die Füße stellen. Und war das nicht die entscheidende Wendung in der Geschichte der Rationalisierung der Musik, daß sie gleichsam umgekehrt und auf den Kopf gestellt wurde: daß die Melodiestimme von unten nach oben und die Begleitstimme von oben nach unten gerückt wurde? Ergab sich hieraus die Konsequenz der Zwölftonmusik? Beziehung zum Fall: das Tiefe (das Untere) wird heute als das Schwere, das Hohe (das Obere) als das Leichte erfahren. Aber ist es nicht die Welt, die uns auf den Kopf stellt (und haben damit nicht der Ödipus-Komplex und die Gewalt, die seitdem das Erwachsenwerden begründet, etwas zu tun)?
Das metaphorische Element der Sprache hält die Spuren der Genesis ihrer Entfremdung fest. Ein gänzlich metaphorisch durchwirkter Text kommt der Wahrheit näher als ein Text, der durch Definitionen, durch verdinglichte und instrumentalisierte Begriffe festgezurrt wurde und daran erstickt ist. Die Metaphorik ist das Lebenselement der Sprache.
Hat die Anatomie nicht eigentlich immer schon die Wahrheit als Leiche gemeint, und ist diese nicht ihr Modell? Hängt sie (bis hin zu den Menschenexperimenten in den Konzentrationslagern) nicht zusammen mit einem rekonstruierbaren blasphemischen Stand der Theologie und des Dogmas?
Die Metaphorik beschreibt den Organismus des Sprachleibs, die Dogmatik seine Anatomie. Wenn wir begreifen, was in der alten Geschichte die Leberschau und die Beobachtung des Vogelflugs bedeuteten, welche Bedeutung die Ostraka im Zusammenhang mit dem Ursprung der Schrift haben, sind wir dem Verständnis der alten Welt und des Ursprungs des Christentums ein ganzes Stück näher gekommen.
Die Finsternis und das Wasser sind nicht erschaffen, sondern als Nebenprodukte im Schöpfungsprozeß mit entstanden. Lernen, mit der Angst umzugehen, sie nicht zu verdrängen, wenn wir uns der Vorwelt nähern.
Hatte nicht Habermas, und auf andere Weise generell die 68er Linke, noch ein gänzlich unangemessenes Zutrauen in Institutionen, in die Wirksamkeit der Mechanismen der Instrumentalisierung? Und war es nicht dieses Zutrauen, daß Habermas dazu verführte, die Naturkritik der Frankfurter zu vorschnell zu verwerfen? Das ist es, was dann in der nächsten Generation (bei Hauke Brunkhorst oder bei Micha Brumlik) gelegentlich völlig unkontrolliert ausbricht.
Erst in einer Welt, in der die Sprache gegenstandslos wird, wird das Beten funktionslos.
Was das Christentum in der Folge der Rezeption des Hellenismus nicht verstanden und am Ende dann verdrängt hat, ist, daß die Übernahme der Schuld der Welt sich auf einen sprachlichen Sachverhalt bezieht. Nur innerhalb dieses sprachlichen Zusammenhangs wird verständlich, was im NT Logos heißt.
Die Asymmetrie im dialogischen Verhältnis korrespondiert mit der Asymmetrie von Zukunft und Vergangenheit, Sprache und Mathematik.
02.01.92
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