05.09.92

Die Ontologie ist das Inertialsystem der Sprache (Beziehung zur Grammatik; Ursprung und Funktion der Hilfszeitwörter: Beziehung zum Materiebegriff; das Sein als Repräsentant der Funktion des Infinitivs).
Anmerkungen (Leserbrief?) zur raf:
– Verfolgung der raf auch zur Diskriminierung der Diskussion des politischen Problems, für das die raf steht;
– raf selber hat durch ihr Handeln die Diskussion unterbunden, ihr den Boden entzogen, damit der politischen Rechten ungewollt in die Hände gespielt;
– Einäugigkeit der Justiz: wenn Gleichbehandlung aller terroristischen Vereinigungen, müßten Millionen in Isolationshaft sitzen (kein Angehöriger der Justiz wurde wegen Teilnahme an Verbrechen der Nazis rechtskräftig verurteilt);
– Distanzierung der Politiker von den Pogromen z.B. in Rostock nur mit dem Hinweis auf „das Ansehen im Ausland“: heißt das, daß „Asylanten“ straflos verjagt, verbrannt, erschlagen werden dürften, wenn „das Ausland“ zustimmen würde?
– Die öffentlich, auch vor laufenden Kameras, demonstrierte rechte Mordlust wird nicht wahrgenommen, geschweige denn verurteilt (worauf bezieht sich und welchen Sinn hat der Straftatbestand der Volksverhetzung, wann greift er, ist er Teil des 129a?).
– Rechtsradikalismus ist Einübung ins Unpolitischsein, Dummheitstraining, deshalb ist er der etablierten Politik so genehm (gewünscht wird nur, daß er nicht auffällt, insbesondere nicht „im Ausland“).
– Rechts und Links lassen sich durch ihr Verhältnis zur dritten Welt definieren: die linke Staats- und rechte Ausländerfeindschaft (Funktion der Asyldebatte) lassen sich daraus herleiten.
Eine Lokomotive, die auf den Abgrund (den sie rätselhafterweise selber erzeugt) zurast: das Personal verkleistert die Scheiben, damit die Passagiere nichts sehen; die raf erschießt das Personal, anstatt alles zu tun, um den Zug zum Stehen zu bringen; die Rechten bewachen die Türen, daß kein Unbefugter in den Zug hereinkommen kann, und überprüfen alle Insassen, ob nicht welche dabei sind, die wieder hinaus zu befördern sind. Das Recht, mit allem Komfort und unter unaufhörlicher Musikbegleitung in den Abgrund zu rasen, steht nur der zivilisierten Menschheit zu, als deren Kerube sich die Rechten begreifen.
Die biblischen Reinheitsgebote waren geschlechtsspezifisch: wer war in welcher Weise davon betroffen?
Jesus hat nicht gelacht, wohl aber geweint (gleichwohl dürfen auch in der christlichen Welt Männer Witze erzählen, aber nie weinen). Das Lachen konstituiert die Welt, das Weinen rührt an den Grund ihres Bestehens, hängt mit der „Erschütterung der Kräfte des Himmels“ und der Auferstehung der Toten zusammen (Petrus nach der dritten Leugnung: „… er ging hinaus und weinte bitterlich“); wann weinte Jesus?
Die Lazarus-Geschichte: Maria weint, die Juden weinen, Jesus ist erzürnt und erschüttert, und dann weint er auch; dann erweckt er ihn zum Leben.
Das Weinen ist eine Form der Wahrnehmung und Verarbeitung der verandernden Kraft des Seins, daß Lachen instrumentalisiert und benutzt die verandernde Kraft des Seins.
Zum Thema Weinen gehört auch jener paulinische Satz, wonach die ganze Kreatur seufzt und in Wehen liegt: sie harrt auf die Freiheit der Kinder Gottes.
Wie hängt der Taumelbecher mit dem Kelch des Leidens zusammen? Ähnlich wie Lachen und Weinen?
Am Ende wird jede Träne abgewischt, der Himmel (die Feste zwischen den Wassern) wird erschüttert, der Tod, die Vergangenheit und das Meer werden nicht mehr sein.
Der über den Wassern schwebende (oder brütende) Geist Gottes: Ist das nicht ein Hinweis auf etwas dem Weinen Vergleichbares im Schöpfungsprozeß (auf die Wasser, die dann von der Feste des Himmels geteilt werden und später durch die Sintflut die Grenze zur Physis markieren)? Und entspringt daraus (aus dem Brüten des Geistes über den Wassern) das Wort? Und rührt der erste Satz der Philosophie, das „Alles ist Wasser“ des Thales nicht auf eine höchst ambivalente Weise an den Ursprung der Philosophie (Zusammenhang mit der Sintflut, aber auch mit dem Zivilisationsgebot, wonach Männer nicht weinen?)? Und ist nicht die mythische Vorgeschichte der Philosophie, die Geschichte der Idolatrie, des Sternen- und des Opferdienstes, die Geschichte der Verdrängung des Weines? (Und gemahnt nicht der Topos der prophetischen Berufung („schon im Mutterleib …“) auf den Ursprung unterhalb der durchs Weinen bestimmten Grenze?
Die sieben unreinen Geister, sind das sieben Gestalten des Gelächters? Und wie hängen Lachen und Weinen mit der Sintflut und dem Turmbau zu Babel zusammen?
Solange das Weinen der andern noch als unerträglich verdrängt wird, bestehen der Bann und die schlimmen Verhältnisse weiter. Wir haben das Weinen in die Schulen, die Irrenhäuser und in die Gefängnisse verdrängt, in den Kasernen darf ohnehin nicht geweint werden.
Jesu Rat an die Frauen von Jerusalem: „Weint nicht um mich, sondern weint um euch und eure Kinder“ verweist darauf, daß das Weinen über den schlimmen Zustand der Dinge und seine Wurzeln in uns das Entscheidende ist. Dieses Weinen („über“) ist das die verhärtende (objektivierende) Wirkung der Begriffe erschütternde und lösende Kraft, Anfang der Wiedergewinnung der benennenden Kraft der Sprache (des Logos). Im Weinen wird die Klage des Objekts über das ihm vom Begriff zugefügte Unrecht (über die Sünde der Welt) laut.
Das Weinen ist Ausdruck jener Verlassenheit, die das Lachen in seinem Objekt erzeugt (Eli, eli …: Hier wird das Weinen Wort).
Wortgewordenens Weinen: das ist es, was Texte wie die Adornos, Primo Levis, Nelly Sachs‘, Jean Amerys oder Paul Celans so kostbar macht.
Werte sind auch insoweit Teil des Herrendenkens, als sie eher ans Lachen erinnern, das Weinen hingegen ausschließen.
Das Weinen zerreißt die Urteilslogik. Es durchbricht in der Erschütterung und in der Kraft des Lösens die Grenze zur Physis, die Todesgrenze.
Die Erschütterung des Weinens und die Erschütterung des Himmels, der am zweiten Tagen geschaffenen Feste, die die Wasser oberhalb von den Wassern unterhalb trennt, bezeichnet einen Vorgang, der mit der Durchbrechung der Grenze zwischen Geist und Physis zusammenhängt, der an die Todesgrenze rührt.
Zur Verleugnungsgeschichte: Das „Er ging hinaus“ und das „und weinte bitterlich“ gehören zusammen.
Was ist der „Schweiß des Angesichts“, und wie hängt er mit dem Blutschweiß in Gethsemane zusammen?
Verweisen die Symptome der Basedowschen Krankheit, die Vergrößerung der Schilddrüse und das Hervortreten der Augen, nicht auf ein zurückgestautes, verdrängtes Weinen?
Ist die Schizophrenie, eigentlich jede Psychose, nicht nur ein gestörtes und verstörtes Weinen?
Das Verständnis für die Rechten, überhaupt das Verständnis für Gewalt, gründet in dem Verständnis für die Notwendigkeit der Verdrängung des Weinens.
Über das Konstrukt der Opfertheologie hängt die Bekenntnislogik mit dem Ursprung und der Geschichte des Naturbegriffs zusammen.
Die Bezeichnung „persönlicher Gott“ wäre zu reflektieren: Die Anwendung des Personbegriffs auf Gott ist unzulässig; Gott ist gerade keine Person, durch die hindurch ER tönt. Wenn etwas Person genannt werden darf: das, durch das hindurch Gott spricht, so sind das die Engel und die Propheten.
Die Welt ist der Inbegriff alles Wißbaren (unter Ausschluß dessen, was durch das Sieb der Beweislogik fällt), aber Wissen und Wahrheit sind nicht kompatibel, sondern durch den Schuldbegriff getrennt.


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