Wie hängt die Kausalitätsbeziehung von Sünde und Schuld mit dem Eigentumsbegriff zusammen (Sein als potentielles Eigentum)?
Es gibt keine benennende Kraft des Begriffs. Zwischen Name und Begriff ist streng zu scheiden; insoweit ist die nominalistische Kritik am Realismus irreversibel. Damit hängt es zusammen, wenn es gegen jede Wahrheit eine dialektische Volte gibt, und ebenfalls, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist (aus Gründen der Beweislogik).
Die drei Freiheitsgrade des Raumes hängen auf eine höchst vertrackte Weise mit der Geschichte der Freiheit zusammen. Unter dem Titel des liberum arbitrium ist im Grunde immer schon das Inertialsystem diskutiert worden. Genauer: das Thema liberum arbitrium war der Beginn einer logischen Verstrickung, die im Inertialsystem und in der freien Marktwirtschaft endete – und heute (in der Marktideologie) fast unlösbar geworden ist. Die Geschichte von Buridans Esel war ein Exempel, an dem auch die Gleichwertigkeit aller Richtungen im Raum, seine Isotropie, demonstriert worden ist; sie war ein Vorläufer des Relativitätsprinzips. Sie war ein Orthogonalitäts-Exempel, und damit ein Hinweis auf den unendlich aufklärungsbedürftigen Zusammenhang von Orthodoxie und Orthogonalität.
Zum Begriff der unreinen Geister: Es gab einmal den Titel „Genie und Wahnsinn“. Der Bedeutungswandel, den der Begriff Wahnsinn dann durchgemacht hat, und die Bedeutung, die er insbesondere in den letzten Jahren angenommen hat, ist ein geschichtsphilosophischer Index, an dem sich der Stellenwert der Psychose ablesen läßt, insbesondere, wie nahe er dem, was man geneigt ist, normal zu nennen, bereits gekommen ist.
Die Welt ist längst zu jenem Schuldverschubsystem geworden, in dem das Spielchen „Wer ist unschuldig“ längst an den Dingen nichts mehr ändert, es sei denn, daß es nur noch zur Erhaltung des Schuldverschubsystems beiträgt und zu den Gründen gehört, aus denen das ganze Medien- und Informationswesen den Gesetzen der Unterhaltung sich anpaßt: zum Drachenfutter wird, dessen Wert sich am Sensatiosngehalt mißt. Auch hier hat es nach dem Ende des Faschismus einen Modernisierungsschub gegeben, dessen Schrittmacher die BILD-Zeitung war. Dem kann – so scheint es -heute keine Institution des Medienwesens sich mehr entziehen. Hier greift auch der Begriff Kulturindustrie bereits zu kurz, weil er inzwischen ins Affirmative gewendet werden konnte.
Ist nicht die Abtreibungsdebatte die letzte Station in der Geschichte der christlichen Sexualmoral, die seit ihrem Beginn ein Mittel der Anpassung an die Welt und der Unterbindung von Herrschaftskritik war und von Anfang an projektive Züge trug. Die Sexualmoral ist ein Vexierbild, dessen Entschlüsselung genau ins Zentrum der politischen Aufklärung stößt. Es gibt in der Tat ein absolutes Abtreibungsverbot, aber das bezieht sich auf eine Abtreibung, die an ganz anderer Stelle stattfindet, nämlich genau an der Stelle, die in der Geschichte der drei Leugnungen Petri mit der Selbstverfluchung bezeichnet wird. Die Trennung von Begriff und Objekt ist ein Reflex der Trennung des Privaten vom Politischen; das Objekt ist der idiotes. Aber in dieser Trennung ist das Problem der Sexualmoral begründet: Was im prophetischen Ursprung allein in der politschen Anwendung Sinn ergibt, wird mit der christlichen Rezeption des Weltbegriffs, mit dem Ursprung des Objektivationsprozesses, entpolitisiert, privatisiert, idiotisiert. In der Lösung des Problems der Sexualmoral steckt die Lösung des Problems des Namens, seiner erkennenden Kraft.
Bezeichnet nicht der Schluß in der Logik, den Hegel als den zu sich selbst gekommenen Begriff erkennt, den Knoten, den zu lösen der Kirche aufgegeben ist. Im Schluß vollendet sich die Verinnerlichung des Schicksals, die philosophische Kritik des Mythos, die Kausalitätsbeziehung von Sünde und Schuld. Der Schluß ist die instrumentalisierte Versöhnung, die Vergegenständlichung des Gerichts, Grund der Vergesellschaftung (Verinnerlichung und Vergegenständlichung) des Opfers im Objekt.
Die apokalyptische Dimension des vierten Gebots wird begriffen, wenn es auf die Schuld der Väter und Sünden der Mutter in der Konstituierung des Objektbegriffs bezogen wird.
12.11.92
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