Zu Kant:
– In der Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft nennt Kant Natur den „Inbegriff der Gegenstände der Erfahrung“ (S. 18). Damit erläutert er selber den Definitionsversuch in der Antinomie der reinen Vernunft (S. 334)
– Im II. Teil der Einleitung findet sich eine Stelle, an der er in zwei auf einander folgenden Sätzen den Begriff der Erkenntnis einmal als Femininum (die Erkenntnis), das andere Mal als Neutrum (das Erkenntnis) verwendet. Das eine Mal handelt es sich um eine vergegenständlichte Erkenntnis („Kennzeichen einer Erkenntnis apriori“), das andere Mal um das „Vermögen des Erkenntnisses apriori“. Im Gebrauch (als Handeln, als Tätigkeit) ist Erkenntnis ein Neutrum (die neutralisierende Gewalt), als Ergebnis (in seiner vergegenständlichten, der Anschauung vorgegebenen Gestalt), ein Femininum. Bemerkenswert die Genauigkeit des noch nicht durch Regeln verdinglichten Grammatikgebrauchs.
Das Erkenntnis ist die erkennende Kraft, die Erkenntnis der erkannte Inhalt: an dieser Differenz arbeitet sich die Dialektik ab (das polymorph-perverse Resultat).
Das Erkenntnis als Neutrum, als tätige handelnde Kraft konstituiert sich durch Abstraktion von der Schuld, durch Unterdrückung und Verdrängung des moralischen Moments im erkennenden Subjekt.
Ist die Sexuallust ein Reflex der Urteilslust im Objekt (seine Materialität)? Ihr Repräsentant in der Philosophie ist das Sein.
Die Kirche verbietet Inzest, Homosexualität, Onanie und vor- und außerehelichen Verkehr, aber nicht die Vergewaltigung. Grund ist das Theologumenon von der Erschaffung der Welt (und ihrer Entsühnung durch den Opfertod des Gottessohnes).
Verhalten sich König und Priester wie Welt (Geschichte) und Natur? Aber nur der König ist der Gesalbte (der Priester wird gesalbt).
Die assoziative Verknüpfung von Geschäfts- und Sexualmoral wird erkennbar am Bild des ehrbaren Kaufmanns und des anständigen Beamten: Wer betrügt oder sich bestechen läßt, treibt es auch anderswo. Aber rutscht die Wirtschaft nicht immer tiefer und immer deutlicher in Verhältnisse hinein, in denen sich mafiose Praktiken aus Selbsterhaltungsgründen nicht mehr ausschließen lassen?
Verhält sich die Zeugung zur Schwangerschaft wie die Erkenntnis zur Umkehr? Und sind die Wehen der Geburt die Folgeschmerzen der Umkehr? Und ist nicht die Abtreibung ein Realsymbol der bei der Erkenntnis verweigerten Umkehr: des Positivismus (und wird sie nicht deshalb so wütend verfolgt)? Ist (in der Natur) das Licht der Beginn der Umkehr (Grund des Satzes: Stark wie der Tod ist die Liebe)?
Heidegger hat den Geburtsfehler der Philosophie zu ihrem einzigen Inhalt gemacht: Dieser Geburtsfehler war die projektive Verarbeitung der Schuld, erkennbar an der Zwangslogik der Xenophobie.
Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 16: Die Definition der Gerechtigkeit durch ihre Beziehung zum „gemeinsamen Erfahrungs-, Erwartungs- und Handlungsraum“ kürzt sie gegen ihr Wesen: Hier sucht jemand eine bindende Tradition (seine kulturelle Identität), die „Bindung des Gestern ans Heute“ (nicht die des Heute ans Gestern?), die „prägenden Erfahrungen und Erinnerungen“.
Ursprung der persona in den Masken der Toten (in den Familienprozessionen)? (S. 33f)
Der Begriff der „Erinnerungsfigur“ scheint das mythische Element in dem Konstrukt Assmanns genau zu bezeichnen (Hinweis, daß sie sich nicht nur auf ikonische, sondern auch auf narrative Formen bezieht, S. 38, Anm. 19).
Kann es sein, daß der Karls-Mythos nicht in einer Fälschung, sondern in einer zwangshaften Vergangenheitsbildung gründet (einer Vergangenheitsbildung, die mit dem Ursprung der Universitäten, der Struktur und dem Fortgang der scholastischen Theologie und ihrer Beziehung zum Ursprung der modernen Naturwissenschaften zusammenhängt)?
Bezeichnen nicht der Titel Assmanns (Das kulturelle Gedächtnis) und dessen Gegenstand einen Teil des gegenwärtigen, aus Exkulpationsgründen gespeisten „kulturellen Gedächtnisses“. Ist nicht auch hier, was man im Hinblick aufs Mittelalter heute Fälschungen nennt, als Produkt einer Zwangslogik erkennbar?
Ist das Moment der Kollektivität in Halbwachs‘ Begriff des kollektiven Gedächtnisses nicht der Repräsentant des Weltbegriffs (und unter diesem Begriff zu bestimmen)?
„Die neue Idee, die sich mit dem Konzil von Nicäa als verbindlich durchsetzt, ist die Entsühnung der Welt durch den Opfertod des menschgewordenen Gottes.“ (S. 41)
Die Vergangenheit vermag sich in ihm (sc. im Gedächtnis, H.H.) nicht als solche zu bewahren. Sie wird fortwährend von dem sich wandelnden Bezugsrahmen der fortschreitenden Gegenwart her reorganisiert.“ (S. 41f)
07.12.92
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