09.03.93

Notwendig wäre eine Kritik des positivistischen Wissenschaftskonzepts der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft.
Sind nicht Qualitäten in Eigenschaften zurückübersetzte Handlungen (objektivierte Tätigkeiten)? Ist nicht das Prinzip der Qualitäten das der Verdinglichung (das Ding und seine Eigenschaften)? Qualifikationen sind instrumentalisierte und lernbare Tätigkeiten, und Tätigkeitsmerkmale sind Vergütungskriterien.
Den drei Dimensionen des Raumes entsprechen sechs Außenflächen des Dings. In welcher Beziehung stehen diese zu den durch fünf Nächte getrennten sechs Schöpfungstagen?
Merkwürdig, daß die Erde im Schöpfungsbericht auch als tätiges Subjekt erscheint, und zwar als erstes nach Gott. Sie bringt sowohl die Pflanzen als auch die Tiere hervor. Nur die Tiere des Wassers und des Himmels werden wie Himmel und Erde und wie die Menschen von Gott erschaffen. War die Hervorbringungskraft der Erde mit den Pflanzen und Tieren erschöpft? Und mußte Gott sich selbst gleichsam wieder hervorrufen, wenn er sich selbst anspricht: Lasset uns den Menschen machen, und dann in einem dreimaligen Ansatz den Menschen erschafft: als Gottes Bild, als sein Ebenbild, als Mann und Weib?
Der Demiurg ist von Gott durch das Schicksal geschieden. Der Schöpfungsgedanke ist der ungeheuerlichste Gedanke, den die Menschheit je gehabt hat. Er ist nicht zufällig dann verdrängt und durch das Herrschafts-Konzept einer creatio mundi ersetzt worden. Die Geschichte dieser Verdrängung ist die der Theologie, ihre Vorgeschichte die der Idolatrie. Der Kampf der Propheten gegen die Idolatrie ist der Kampf für die Schöpfungsidee. Das creatio-mundi-Konzept, das konsequent abgesichert wurde durch Trinitätslehre, Opfertheologie und Christologie, unterbindet heute die Fähigkeit zur Reflexion der Naturwissenschaften. Es unterbindet sie ebenso wie die Kapitalismus-Kritik. Das Dogma war von Anfang an politische Theologie.
Die Naturwissenschaften lassen eine andere als technologische Beziehung von Theorie und Praxis nicht mehr zu.
Rast die Welt nicht auf einen Abgrund zu, den sie selbst produziert, und mit dem eins zu werden sie trachtet: Wäre das nicht der endgültige hieros gamos?
Das Bekenntnisprinzip ist von der Instrumentalisierung des Kreuzestodes in der Opfertheologie (von der Herausnahme des Kreuzestodes aus der Nachfolge) nicht zu trennen.
Lassen nicht am Schicksal des römischen Latifundiensystems die Entwicklung und die Tendenzen des gegenwärtigen Systems der politischen Ökonomie sich ablesen?
Jeder Tauschwert für mich ist es nur als Gebrauchswert für andere: das ist die Differenz zwischen Tausch- und Gebrauchswert. Die Grenze, die das Vorhandene vom Zuhandenen trennt, ist die Grenze zwischen der ersten und der dritten Person. Oder die Eigentlichkeit für mich ist die Uneigentlichkeit für andere. Deshalb sind beide nicht unterscheidbar. Ist nicht die Heideggersche Eigentlichkeit der entsetzlich verkümmerte Rest des Hegelschen Bewußtseins der Freiheit?
Sind nicht die Aktionen der Rechtsradikalen heute Kamikaze-Aktionen?
Der Begriff der Entfremdung bezeichnet sehr genau einen richtigen Sachverhalt: Indem ich mich dem Anderssein der Welt anpasse, entfremde ich mich, löse ich das nur im Verhältnis zu Fremdem sich konstituierende Selbst auf. Die Entfremdung ist das Produkt der verandernden Kraft des Seins. Die Rechten übersetzen diesen Begriff heute in die Praxis. Gefährliche Verwechslung des Fremden mit dem Andern. Das Anderssein ist systemimmanent, der Fremde sprengt das System. Deshalb ist die Tötung des Fremden systemerhaltend.
Die Unterscheidung von realprojektiven Begriffen wie Raum, Welt, Natur, Materie von realsymbolischen Begriffen wie Wasser, Angesicht, Finsternis, Licht gehört zu den Grundlagen der Theologie. Der Kampf gegen den Anthropomorphismus ist ein Kampf gegen realsymbolische Begriffe.
Haben die paulinischen Archonten etwas mit den Sakramenten zu tun? Die christliche Gnadenlehre ist ein Produkt der Subsumtion der göttlichen Barmherzigkeit unter das Herrendenken, der kirchlichen Instrumentalisierung der göttlichen Barmherzigkeit: ein Folgekonstrukt der Opfertheologie.
Mein erster Brief an Buber stand noch unter dem Vorzeichen einer positiven kirchlichen Theologie (Identifizierung des Leibs Christi mit der Philosophie). Deshalb mußte ich mich im zweiten Brief hinter dem Alles und Nichts verstecken.


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