09.05.93

Die mikrologische Arbeit ist der Versuch, den Bann, unter dem der Begriff steht, durch Reflexion aufzulösen: die Sache selbst zum Sprechen zu bringen.
Ableitung des Konstrukts, wonach es heute nicht mehr auf die Tat, sondern aufs Nicht-erwischt-Werden ankommt, aus der Logik des Begriffs, die darin übereinstimmt mit der Logik der politischen Sprache. Kohl bleibt solange unwiderlegbar, und das Verhängnis ist nicht aufzuhalten, wie es nicht gelingt, die Logik des Begriffs (das darin enthaltene Moment der „List der Vernunft“) zu entschlüsseln. Diese Logik ist ein Ausfluß des trinitarischen Konzepts, die das Konzept der Opfertheologie und das der Schöpfung und Entsühnung der Welt mit einschließt.
Die vollständige Säkularisation aller theologischen Gehalte setzt die Kritik der falschen Säkularisation, der die christliche Tradition verfallen ist, voraus.
Das Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten hat Wurzeln, die durchs Christentum begossen und zum Wachsen angeregt, zum Blühen und Fruchttragen gebracht worden sind, und deren Früchte wir heute genießen. An diesen Früchten wird man es erkennen (vgl. das Gleichnis vom Feigenbaum).
Der Hund und die subjektiven Formen der Anschauung, oder die Trennung von Sehen und Gesehenwerden: Das Zeitalter des Antichrist wird das Antlitz des Hundes tragen. Die subjektiven Formen der Anschauung als Formen des Angeschautwerdens begreifen: das ist der Schlüssel zum Verständnis der kantischen Philosophie.
Das Nichts in der Lehre von der creatio mundi ex nihilo wird als ein nihil absolutum vorgestellt, aber das ist nicht denkbar. Dieses Nichts, dieses nihil absolutum war ein Konstrukt zur Begründung einer göttlichen Autorität, die mit Seinem Namen Mißbrauch treibt. Durch dieses nihil absolutum ist die den Herrschenden seit je gefährliche Lehre von den göttlichen Namen destruiert worden. (Liegen nicht überhaupt die Wurzeln des Derridaschen Dekonstruktionskonzepts in der Geschichte der dogmatischen Theologie und in der Konsequenz ihrer blasphemischen Logik?)
Das Wort vom Binden und Lösen geht nicht nur an Petrus, sondern zugleich auch an die Jünger, an die Gemeinde.
Eine Leiche im Keller, an der alle ihren Schuldanteil haben, paralysiert heute die Politik.
Ist nicht der „Wissenschaftsbetrieb“ ein Betrieb im Sonnemannschen Sinne, und der Positivismus eine Berufskrankheit, gegen die sich die Schutzimpfung durch die kritische Theorie nur bedingt als wirksam erwiesen hat?
Das Hinter dem Rücken und der Weltbegriff als Grund und Inbegriff des leeren Objekts, oder „auf dem Bauche sollst du kriechen, und Staub sollst du fressen“, oder die dritte Leugnung, oder über den Ursprung des Autismus in Kirche, Wissenschaft und Staat (die Privatisierung von Religion, Wissenschaft und Politik).
Ist der Autismus nicht ein Produkt der verandernden Kraft des Seins, kommt in ihm nicht die sprachzerstörerische Kraft des Nominalismus auf seinen Begriff?
Ist die Schlange nicht deshalb das klügste aller Tiere, weil sie das Bewußtsein, von einem Unerkennbaren erkannt zu sein, verinnerlicht hat? Der Preis hierfür war es, (wie an der astronomischen Begründung der modernen Naturwissenschaften nachzuweisen wäre) auf dem Bauche zu kriechen und Staub zu fressen.
Wissenschaft lebt von der Verinnerlichung der gesellschaftlichen Produktions- und Kontrollmechanismen und der Leugnung der Spontaneität der Erfahrung.
Der Samen der Schlange ist der Objektbegriff (das leere Weltenei).
Die Geschichte der drei Leugnungen ist die Geschichte des historischen Objektivationsprozesses: die Geschichte von Herrschaft, Schuld und Verblendung, die Herstellung jenes Zustandes, den Jeremias als „Schrecken um und um“ beschreibt.
Zustand der Theologie: die offizielle. lehramtliche Theologie ist die der dritten Leugnung; alle Ausbruchsversuche aber sind bis heute auf Identifikationen mit dem Aggressor hinausgelaufen (bei Metz direkt nachweisbar im ersten Teil seiner Theologie der Welt).
Wie hängt das Votum für die Armen und die Fremden mit den sieben Werken der Barmherzigkeit zusammen?
Die Geschichte der Kirche und der Theologie hat Teil am Abstieg zur Hölle (deren „Pforten“ sie nicht überwältigen werden).
War Kohl nur im Katholizismus möglich?
Nicht nur das Überzeugen, auch das Widerlegen ist unfruchtbar: Beide gehorchen dem Bekenntnisprinzip und der Bekenntnislogik (ist nicht das Ideologieproblem ein Problem der Bekenntnislogik? Wie verhalten sich Weltanschauung und Ideologie?).
Im Autismus kommt der Objektbegriff zu sich selber, der Autismus ist eine Form der Isolationshaft (wie die deutsche Staatsmetaphysik). Wie verhält sich der Autismus zur Paranoia und zur Schizophrenie, ist er nicht die Systemeinheit beider (und darin Modell und Produkt des Objektbegriffs)? Rührt daher die besondere Art des autistischen Sprachverlusts (moderne Version der Stummheit des Helden)? Das Kaninchen vor der Schlange, der Anblick der Medusa oder der Schrecken Isaaks.
Laufen nicht alle, die heute auf Identitätssuche sind, in die Autismusfalle?
Die transzendentale Logik ist eine Fernsehlogik: Man sieht, aber wird nicht gesehen.
Drückt nicht die Schlottsche Hypothese (in Adelheid Schlott: Schrift und Schreiber im Alten Ägypten, München 1989, S. 21f), die die Buchstabenschrift aus der Rezeption der Fremdsprachenschrift anderer (im Falle der Phönizier: Handels-) Völker herleitet, sich aufs genaueste im Namen der „hebräischen“ Schrift aus? (Woher kommen die Namen Griechisch und Latein? Haben die Griechen sich selbst Griechen genannt?)
Die hebräische Sprache ist eine Objektsprache in dem Sinne, daß sie davon lebt, die Dinge selber zum Sprechen zu bringen.
Ist nicht die Identität von Sprache und Volk (auf dem Grunde der Idee der Schicksalsgemeinschaft) ein Produkt der modernen Welt (die englische, französische, deutsche Sprache)? Wie drückt sich das in den modernen Sprachen aus? Sind nicht die hebräische, die griechische und die lateinische Sprachen im Kern Kunstsprachen?
Läßt nicht an der Schlottschen Theorie vom Ursprung der Schrift sich das metaphorische Element der Sprache und der Ursprung seiner Notwendigkeit und seiner Depotenzierung (seines Verfalls) zugleich nachweisen? Das metaphorische Element läuft übers Prädikat und mündet ein im Begriff.
Die Hegelsche Geschichtsphilosophie führt das kontrafaktische Urteil ad absurdum: in der Idee des Absoluten. Vergleiche hierzu den ungeheuerlichen und blasphemischen Satz, dieses von Hegel umgeformte Schillerzitat, am Ende der Phänomenologie des Geistes:
aus dem Kelche dieses Geisterreiches
schäumt ihm seine Unendlichkeit.


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