Welche Bedeutung hat es (welches Zeitverständnis drückt sich darin aus), wenn in den Genealogien der Genesis das Zeugen („er zeugte“, wobei Frauen nicht genannt werden) unterschieden wird vom Erkennen („er erkannte sein Weib, sie ward schwanger und gebar“). Die reinen Zeugungsreihen erscheinen erst in der zweiten Generation nach Adam.
Klingt nicht in der Unterscheidung von Zeugen und Erkennen (mit nachfolgendem Geborenwerden) die Differenz zwischen dem griechischen und lateinischen Naturbegriff an, und spielt diese Differenz in die Trinitätslehre mit herein?
War nicht die christliche Sexualmoral, ihre Trennung von der Welt und Politik, die erst möglich war, nachdem der metaphorische Grund der Sprache diskriminiert und verworfen wurde (im Kontext einer Schriftauslegung „ad litteram“), ein Mittel zur Ausbildung und Entfaltung des Neutrum, ein Instrument zur Verweltlichung der Welt, Auslöser des historischen Objektivationsprozesses? Die Verteufelung der Sexualität und die Objektivierung der Natur sind untrennbar mit einander verknüpft (Zusammenhang mit dem gordischen Knoten: dem Knoten, der das Joch des Ochsen mit der Deichsel des Ochsenkarren verband?). Ist das Neutrum ein Produkt von Herrschaft und die Unterdrückung und Verdrängung seiner Kritik ein Mittel der Unterdrückung und Verdrängung von Herrschaftskritik: ein Mittel der Entpolitisierung, und die Sexualmoral ein Ersatz und eine Ablenkung?
Sohar, S. 165: „Wer am Pessach Gesäuertes ißt, ist wie einer, der den Gestirnen dient.“ Und: „Als Israel aus Ägypten zog, zog es heraus aus … jenem Machtbereich, der „Sauerteig“, schlechtes Brot genannt ist.. Und dieses ist das Geheimnis des „bösen Triebs“, des „fremden Dienstes“.“
„Nackt kam ich aus dem Leib meiner Mutter und nackt kehre ich dorthin zurück.“ (Hiob 121) Wie hängt das mit dem „Sie waren nackt und sie schämten sich nicht“ zusammen?
Stufen der Erkenntnis:
– Der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.
– Sie erkannten, daß sie nackt waren. Und
– Adam erkannte Eva, und sie ward schwanger und gebar.
Jesus hat die Sünden der Welt (in der prophetischen Tradition) auf sich, und nicht hinweg genommen (das würde ihn in die philosophische Tradition stellen); und er hat der Kirche die Kraft zu binden und zu lösen verheißen, aber die Kirche hat bis heute nur gebunden, nicht gelöst. Erweist sich nicht am Ende das Binden als das, was in der Schrift die Sünde wider den Heiligen Geist genannt wird?
Die Welt ist das, was im Sohar einmal „der Geist, der „draußen“ ist“ genannt wird. (S. 179)
Der Begriff einer resurrectio naturae enthält den gleichen Widerspruch wie der der creatio mundi (und ist sein spätes Echo).
Im katholischen Versuch, Natur und Offenbarung zu harmonisieren, ist der Sieg der Natur über die Offenbarung vorprogrammiert.
Es war die Urentscheidung der modernen Aufklärung, die übrigens in Heideggers „Entschlossenheit“ dumpf nachhallt, daß die subjektiven Formen der Anschauung nicht mehr durch Reflexion aufzulösen seien. Dabei sind die Folgen dieser Dezision spätestens seit Newton bestimmbar. Das Gravitationsgesetz ist der Prototyp des abgehobenen theoretischen Konstrukts (sein historisch vielleicht entscheidender Erfolg war es, daß es der Engellehre den Garaus gemacht hat). Ebenfalls bei Newton tritt dann auch die andere Konsequenz erstmals hervor: die Zerstörung des Lichts durch Vergegenständlichung, das so zu einer materiellen Erscheinung im Raume überhaupt erst geworden ist. Und darin waren schon die widersprüchlichen Konzepte der Wellen- und Äthertheorien und der Korpuskulartheorien mitgesetzt.
Besteht ein Zusammenhang zwischen dem kreisenden Flammenschwert des Kerubs am Eingang des Paradieses und den Rädern der Merkaba bei Ezechiel?
Der Begriff der Tat, der im Begriff der Tatsachen steckt, drückt aufs genaueste die Sünden der Welt aus. Als Hegel die Idee der Substanz als Subjekt zur Grundlage seiner Philosophie machte, hat er die Welt als Inbegriff der Sünde mit eingebauter Exkulpations-Automatik begriffen.
Die Vorstellung, daß es einmal des Ich nicht mehr bedarf, bezeichnet einen Stand der Dinge, in dem es auch des Weltbegriffs nicht mehr bedarf.
Das Auf-sich-Laden, mit dem der Katechismus die Übernahme der Sünden der Welt ironisiert (um die Gläubigen von dieser „unmöglichen“ Idee abzuschrecken), stellt die Dinge polemisch auf den Kopf: das Aufladen (einer Schuld) ist von außen verursacht und so Teil eines Schuldverschubsystems, während die Übernahme (der Sünden der Welt) ein autonomer Akt ist: den Schuldzusammenhang sprengt.
Der Schuldzusammenhang konstituiert sich im Kontext und als Grundlage des verdinglichenden Denkens: des Weltbegriffs; Schuld ist in der Tat eine „Natureigenschaft“ des Dings, aber sie konstituiert sich als „Eigenschaft“ erst in der Abstraktion vom Schuldzusammenhang, in dem der Naturbegriff gründet. Der Schuldzusammenhang konstituiert sich als Natur in der Abstraktion vom Schuldzusammenhang. Daher die „christologische“ Logik des Naturbegriffs
– als Inbegriff des Opfers (des Objekts von Herrschaft),
– Grund seiner Vergöttlichung (Natur als der Grund, aus dem alles hervorgeht) und
– Grund des Scheins der Freiheit von Schuld (Natur als ein Jenseits des gesellschaftlichen Schuldzusammenhangs).
„Sitzet zur Rechten des Vaters“:
– Dt 332: „Ihm zur Rechten flammte vor ihnen das Feuer des Gesetzes“.
– Ps 177: „Wunderbar erweise deine Huld! Du rettest alle, die sich an deiner Rechten vor den Feinden bergen.“
– Ps 7411: „Warum ziehst du die Hand von uns ab, hältst deine Rechte im Gewand verborgen?“ (Buber: Warum ziehst du zurück deine Hand? Deine Rechte, hervor aus deinem Busen! beends!)
– Ps 1101: „Setze dich zu meiner Rechten, und ich lege dir deine Feinde als Schemel unter die Füße.“ (Buber: Sitze zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege als Schemel zu deinen Füßen.)
– Jes 4813: Meine Hand hat die Fundamente der Erde gelegt, meine Rechte hat den Himmel aufgespannt; ich rief ihnen zu, und schon standen sie alle da.“
– Mt 2664: „Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen.“ (vgl. Mk 1462, Lk 2269)
– Mk 1619: „Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes.“
– Apg 755f: Stephanus „aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen …“
Mit ausgerecktem Arm hat Gott den Himmel aufgespannt. Der erhöhte Jesus sitzt zur Rechten des Vaters; am Ende aber wird sich der Himmel wie eine Buchrolle zusammenrollen.
25.05.93
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie
Schreibe einen Kommentar