02.10.93

Casus (Deklination) und Raum: Verkörperung räumlicher Metaphern,
– Nominativ: Im Angesicht,
– Akkusativ: Hinter dem Rücken,
– Genitiv und Dativ: Rechts und Links (Besitz und Schenken, Gericht und Gnade).
Wenn im Griechischen und im Deutschen die Deklination in den bestimmten Artikel mit hereingenommen wird, so ist hier die sprachliche Abstraktionsleistung begründet, die der Philosophie zugrundeliegt. Aber was bedeutet dann die Geschlechtertrennung, die Ableitung des Neutrum (im Deutschen auch des Femininum) aus dem Akkusativ, sowie im Deutschen zusätzlich die Identität des Femininum mit dem allgemeinem Plural (die, der, der, die) und bei beiden (Femininum und Plural) die Verwendung des Nominativ masculinum (der) als Genitiv und Dativ? Spiegelt sich darin die Gewalt der mathematischen Form des Raumes (die Neutralisierung des vorn und hinten beim f und n und des rechts und links beim f und pl)?
Die Materialisierung der Welt ist die Verwandlung des Wortes in einen allgemeinen Sprachbrei (Zerstörung der Kraft des Namens).
Fink, Griechische Sprache:
– S. 105: Gehört nicht die Bindung des archein (herrschen) an den Genitiv (Bindung der Herrschaft ans Eigentum) zur „Sklavenhaltergesellschaft“, während die moderne Bindung an den Akkusativ zur Lohnarbeiter-Gesellschaft, zum Kapitalismus (Verinnerlichung und Vergesellschaftung von Herrschaft durch den Weltbegriff), gehört,
– ebd.: katagelan (m. Gen.) = verspotten (auch hier Beziehung des Verspottens zum Eigentum, im Deutschen Beziehung zum Akkusativ),
– S. 125: meta (m. Gen.) = mit, ~ (m. Akk.) = nach;
para (m. Gen.) = von (her), ~ (m. Dat.) = bei,
~ (m. Akk.) = hin (zu), entlang, während, gegen.
Liegt hier nicht der Zusammenhang von Gesellschaft, grammatischer Ausdruck der Raumbeziehungen (als Herrschafts- und Eigentumsbeziehungen, die im Deutschen dann in die Prä- und Suffixe sich verlagert haben) offen zutage? Und wird nicht die Differenz zwischen dem Griechischen und dem Deutschen (dem Paradigma der modernen Sprachen) durch die Geschichte des Christentums (Stellung des Dogmas und der Orthodoxie im Aufklärungsprozeß) überhaupt erst durchsichtig und bestimmbar?
Nochmal zu archein: Ist nicht die Bindung der Herrschaft an den Besitz (Bindung des Verbs archein an den Genitiv) die Grundlage des griechischen Imperialismus. Der Eigentumsbegriff ist doppeldeutig: Die Privateigentums-Gesellschaft bedarf des Staats zur Begründung und Garantie des Eigentums, nämlich sowohl durchs Recht wie auch durch die Währungshoheit, durch die Konstituierung und Garantie des Geldwerts, die ihn in eine Eigentumsbeziehung zur Totalität rückt. Hiermit hängt es zusammen, wenn der Staat nicht selber Objekt des Rechts sein kann (selbst dem Recht nicht unterworfen ist), und wenn die Außenbeziehungen des Staates „Natur“-Beziehungen, und d.h.: wenn in diesen Beziehungen Kriege und Gewaltanwendung unvermeidbar sind: Ausländer haben in diesem Kontext Naturstatus: sie sind Barbaren, nur durch Unterwerfung zu zivilisieren. Das Gewaltmonopol des Staates ist Ausdruck seines potentiellen Besitzanspruchs an die Welt, den Kosmos.


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