23.12.93

Der Weltbegriff ist kein Substanz-, sondern ein Funktionsbegriff, oder genauer: er ist als Substanzbegriff ein Funktionsbegriff. Nicht die Welt, in der wir leben, ist schlimm, sondern unsere Unfähigkeit, ihren Bann durch Reflexion zu brechen.
Die Selbstverfluchung (die Verwerfung der eigenen Tradition) hat nicht die Form des formellen Urteils, der Verurteilung, sondern sie wirkt als Scham. Ist dies nicht die letzte Phase der Austreibung aus dem Paradies, die logische Konsequenz aus dem „und sie erkannten, daß sie nackt waren“?
Der Fundamentalismus ist unverschämt; es käme jedoch darauf an, sich durch Reflexion von der Gewalt der Scham zu befreien: schamlos zu werden. Aber ist nicht heute die Theologie zum Objekt der Scham geworden?
Hat der Rock aus Fellen (Gen 321) etwas mit dem nahtlosen Rock (Joh 1923) zu tun? War Jesus am Kreuz nackt? Ist mit der Zivilisation die Scham durch Verdinglichung obszön geworden? Sind die Soldaten, die um seinen Rock das Los warfen, die gleichen, die ihn auf Getsemane gefangen nahmen, und die dann, im Hofe des Hohepriesters, am Feuer standen und in die Geschichte der Leugnungen Petri involviert waren? Hat der Rock etwas mit dem Vorhang vorm Allerheiligsten des Tempels (der Stätte Seines Namens) zu tun (dem gleichen Vorhang, der in der Todesstunde Jesu entzweiriß)?
Die Geschichte der Welt, das Aufdecken der Blöße, die Trunkenheit, der Ursprung der Knechtschaft und die Scham. Gründet nicht das Gebot der Keuschheit in diesem Zusammenhang (ist etwa die Keuschheit schamlos, und die Sexualmoral unverschämt)?
„Er ging hinaus und weinte bitterlich“: Dieses Weinen sprengt das Zeitkontinuum.
Beim Johannes wird nach dem Krähen des Hahns Jesus vorbeigeführt, der den Petrus anblickt.
Das Sechstage-Werk gehört zu den toledot, zu den „Zeugungen“. Und ist nicht in der Tat jeder Tag eine andere Welt, ein neuer Äon?
Was hat der Dominus Deus Sabaoth (der Herr der Heerscharen) mit der Königin von Saba (und diese mit der „Himmelskönigin“ bei Jeremias) zu tun?


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