Die Hegelsche Logik ist eine Logik der Selbsterhaltung, und deshalb eine Welt- (und Ding-) Logik. Was durch die Entwicklung des Begriffs vom Sein zur Idee hindurch sich erhält, ist das Selbst, das sich in allem wiederfindet und wiedererkennt, das gleichsam überall seine Duftmarken setzt; die Totalität dieser Duftmarken ist der Begriff. Hegels Logik ist eine hündische Logik, die das Angeblicktwerden nicht erträgt: weil sie das Angesicht Gottes nicht erträgt. (Man erkennt die Hundeart nicht an der Gestalt des Hundes, sondern einzig an der allen Hunden gemeinsame Hundewelt und ihrer Logik.) – Vgl. auch Hegels Bemerkung über den göttlichen Zorn (der aufgrund seiner Beziehung zur göttlichen Barmherzigkeit in der gnadenlosen Welt, in der die Wut herrscht, geleugnet werden muß und als erstes die Wut auf sich zieht; Theologie im Angesicht Gottes hingegen wäre die Stimme des göttlichen Zorns). Nur das Absolute gewährt noch den Schein der securitas adversus deum, die der Mythos seit je gesucht hat. Hegels Philosophie ist nicht arglos: deshalb braucht sie die List der Vernunft.
Sind die Engelchöre der theologischen Tradition der Kirche die Engel Elohims, zu denen im Kontext der verandernden Gewalt der Philosophie auch die Cherubim und Seraphim geworden sind (und nicht die Engel JHWHs: die Engel des göttlichen Angesichts; diese haben Abraham von der Opferung Isaaks abgehalten)?
Das Zölibat oder die instrumentalisierte Unschuld ist eine direkte Konsequenz der Umformung der Sexualmoral in eine Urteilsmoral: eine Konsequenz ihrer Privatisierung und Entpolitisierung. Der (theologische und politische) Gebrauch dieser Moral hat das Zölibat (die etwas anderes ist als die Keuschheit) zur Voraussetzung. Das Zölibat gehört zu den Folgen der theologischen Rezeption des Weltbegriffs.
Das „Seid arglos wie die Tauben“ ist der Einspruch gegen die Paranoia, und das „et ne nos inducas in tentationem“ die Warnung davor.
Ist nicht der Begriff der Materie das philosophische Pendant zum hebräischen Namen der Barmherzigkeit? Und gründet die Beziehung beider nicht im gemeinsamen Namen der Mutter?
Zum Charakter der Apokalyptik gehört die Geschichte aus dem Buch Daniel, in der Nebukadnezzar die Weisen Babels (u.a. die Chaldäer) auffordert, ihm nicht nur seinen Traum zu deuten, sondern den Traum, der ihm aus Angst entfallen war, den er vergessen hatte, selber zu benennen.
Am Ende des Buches Jona, gehören da nicht die 120 000, die Rechts und Links nicht unterscheiden können, mit dem nachfolgenden „so viel Vieh“ zusammen? Ist die Unfähigkeit, zwischen Rechts und Links zu unterscheiden, nicht ein Teil der Unfähigkeit, Mensch und Vieh zu unterscheiden? Und gehören nicht beide in den Kontext der Genesis des Ding- und Objektbegriffs?
Ist das gegenwärtige (nur noch katastrophische) Verständnis der Apokalypse nicht die letzte Bastion des Mythos: des In-Angst-Erstarrens vor der Offenbarung, die mit dem Namen der Apokalypse vorab, auch vor ihrem katastrophischen Aspekt, gemeint ist?
Die Bekenntnislogik ist das Produkt des vom Weltbegriff nicht abzulösenden Rechtfertigungszwangs. Das drückt sich aufs genaueste in dem denkwürdigen Sachverhalt aus, daß im Lateinischen das Bekennen durch eine Passiv-Konstruktion repräsentiert wird (confiteor, confiteri; vgl. auch die anderen verba deponentia wie conari versuchen, vereri sich fürchten, loqui sprechen, partiri teilen, pati leiden; der Ursprung der Deponentien war die mediale Form, die im Lateinischen sich nicht erhalten hat): Ist das Subjekt dieses Bekenntnisses die Welt (und die Konfessionalisierung ein notwendiges Moment der Verweltlichung des Subjekts: Objekt des Schicksals: der Religion oder der Politik, zu sein)?
Die Bekenntnislogik (die Logik des Weltbegriffs) greift ebenso wie die Sensibilität auch die Erinnerungsfähigkeit an. Sie ist das Zentrum des Schuldverschubsystems, der Grund und die Wurzel des projektiven Erkenntnisbegriffs, der dem kantischen Begriff der Erscheinungen zugrunde liegt. Ist er die Narbe an der Stelle, an der der Knoten, der zu lösen gewesen wäre, zerschlagen wurde? – Wo liegen die etymologischen Wurzeln des confiteri? Gibt es eine Beziehung des fiteor, fiteri zum fatum, gehört es (oder gehören die Deponentien insgesamt) zu den Faktoren der Verinnerlichung des Schicksals?
Ist nicht die im Christentum entfaltete Bekenntnislogik die Vollendung des babylonischen Turms, der bis an den Himmel reicht, und bezieht sich darauf nicht das Wort vom Binden und Lösen?
11.03.94
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