5.4.1994

Das Strafbedürfnis (die zivilisatorisch organisierte Wut) ist eine Konsequenz aus der Verinnerlichung des Opfers: das zivilisatorische Erbe des Opfers. Seine Existenzbedingungen sind die Geldwirtschaft, die Bekenntnislogik und das Inertialsystem, die durch Gefängnisse, Schlacht- und Irrenhäuser in der Realität sich verankern und so logisch zusammenhängen (sie bilden gemeinsam die Grundlage der hierarchischen Organisation des Staates): Verweisen sie nicht auf die gesellschaftlich-logischen Ursprünge des Materiebegriffs?
Unschuldsfalle: Die Logik der Sprache (die Grammatik), wenn sie von der Schuldreflexion sich befreit, wird beherrscht von der Logik der Unmittelbarkeit, die selber dem historischen Prozeß unterliegt (sie wird vorgegeben durch den Weltbegriff). Ihr Gravitationszentrum ist der Dingbegriff oder das Substantiv. Gegenstand der modernen Sprachen ist nicht mehr die Sache; damit aber wird die Beziehung der Sprache zur Wahrheit storniert: Wird nicht die Sprache am Ende selber zum Opfer ihrer eigenen Logik?
Zusammenhang von Sprache und Licht (oder die Mühle des Begriffs und die Idee der Verklärung): Beide, Sprache und Licht, verschwinden im Prozeß ihrer Vergegenständlichung. Und die Materie, (Medium des Schuldverschubsystems und Produkt der Mühle des Begriffs) ist der Müll des verrotteten Namens (der Abfall der benennenden Kraft der Sprache).
Müllproduktion: Wer die Gesichter der Leute beim christlichen Gottesdienst beobachtet, wird sich des Eindrucks des Dösens (eines insbesondere beim Singen produzierten Gesichtsausdruck) nicht entziehen können. Ist dieses Dösen nicht der Ausdruck einer „Andacht“, die zwanghaft zum Gebet das Objekt gesucht hat (die andächtig hat beten wollen) und die vergeblichen Bemühungen am Ende aufgegeben hat. Und heißt nicht die Anstrengung, zum Gebet ein Objekt hinzuzudenken (die auf Gott nicht anwendbar ist): den Erkenntnischarakter des Gebets durchstreichen, ist sie nicht Teil des Verfahrens der religiösen Müllproduktion (der Selbstverfluchung nach der dritten Leugnung, Ursprung des Greuels am heiligen Ort)?
Das Entsorgungsproblem gibt es heute nicht nur bei der sogenannten zivilen Nutzung der Atomenergie, sondern im Kern des historischen Prozesses, beim Stand der Aufklärung selber: sowohl bei der Wissensproduktion (im Universitätsbetrieb) wie auch in den Religionen, in denen es die Gebete der Heiligen nicht mehr zu geben scheint.


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