Der Weltbegriff bezeichnet eine Momentaufnahme im Säkularisationsprozeß. Er bestimmt zugleich die Logik, die den Säkularisationsprozeß beherrscht: den immer wieder vergeblichen Versuch, diese Momentaufnahme zu stabilisieren. Während in Israel Grund und Boden Eigentum JHWHs waren, waren sie in Kanaan Gegenstand privater Kaufverträge (Donner, Geschichte des Volkes Israel, S. 265). Hängt damit der Name Kanaan, der auch die Händler bezeichnet, und die kanaanäische „Religion“, das Urbild der Idolatrie (Ba’al, Moloch, die Ascheren, die „Unzucht“), zusammen? Ist insbesondere Ba’al ein Gott des Privateigentums an Grund und Boden? Ist der Name Kanaans ein Name eines Volkes oder eine soziologische Kategorie (die Volksnamen, die unter dem Namen Kanaans zusammengefaßt werden, legen die Vermutung nahe, daß Kanaan wie der Name der Hebräer eine primär soziologische Bedeutung hat)? Bei den Grundstückskäufen handelt es sich um – Abraham (Gen 23: Kauf des Grundstücks und der Höhle Makpela von dem Hittiter Ephron für das Grab der Sara), – Jakob (Gen 3319: Kauf eines Grundstücks bei Sichem von den Söhnen Hamors zur Errichtung eines Malsteins und eines Altars „El, Gott Israels“), – David (2 Sam 2418ff: Kauf der Tenne des Jebusiters Arawna zur Errichtung eines Altars, Grundstein des späteren Tempels), – Omri (2 Kön 1624: Kauf des Berges Samaria von Semer zum Bau der Stadt Samaria). Kann es sein, daß das Land Israel die religiöse Tradition (die „Sünde Jeroboams“), Juda hingegen die politischen Institutionen Kanaans (Jerusalem, das Stadtkönigtum) übernommen hat? Hat die Unterscheidung zwischen den „Zelten Israels“ und dem „Haus Juda“ (dem nomadischen Israel und dem urbanen Juda) damit zu tun? Es gibt die Häuser Isaak, Jakob, Ephraim, Levi, Juda, Saul, David, aber keine Häuser Manasse, Benjamin. Hängt die Unterscheidung von Zelt und Haus mit der des Himmels und der Sterne zusammen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Kapitalisierung des Bodens, dem Ursprung der Banken und der Schuldknechtschaft? Das „gezeugt, nicht erschaffen“ im Credo bezeichnet den Punkt der tiefsten Verzweiflung im Dogma, im Glauben. Genau daraus hat die Trinitätslehre das Moment der Redundanz, der Selbstreferenz, gewonnen, das die theologische Erkenntnis dem Wissen angleicht, es zu einem abgeschlossenen System verdinglicht und vergegenständlicht, den Inhalt zu einem vergangenen („immer schon seienden“) macht. Es ist das untrügliche Symptom der Ontologisierung der Theologie: Nur der Raum zeugt sich in der immergleichen Form seiner selbst fort, nicht Gott. Die kirchliche Sexualmoral ist ein Produkt der Anwendung des des Eigentumsprinzips (Kanaans) auf die Prophetie (Herausnahme der „Sexualität“ als Symbol der Urteils- und Herrschaftskritik aus der Prophetie). Wenn die Kanaaniter die Händler waren, wer waren dann die Amalekiter? Hat das Mehrwertparadigma, das im Tauschparadigma gründet, den Blick auf den Schuldzusammenhang verstellt? Welche Metalle wurden den Planeten zugeordnet: – das Gold der Sonne, – das Silber dem Mond, – das Eisen dem Mars, – das Quecksilber dem Merkur, – das Blei dem Saturn. Und Jupiter und Venus? Mathematik: Die Rekonstruktion der Finsternis über dem Abgrund. Zum fünften und sechsten Schöpfungstag: Nur die großen Seetiere, die Fische und die Vögel des Himmels sind von Gott erschaffen, die anderen Tiere hat die Erde hervorgebracht. Bezieht sich diese Unterscheidung auf die von Matriarchat und Patriarchat (und gründet hierin das nur auf Adam bezogene Staubsymbol und die auf Eva bezogen Feindschaft zur Schlange)? Die Kopenhagener Schule, die Anbetung des Staubs und die renovatio faciei terrae (die Rücknahme des Staubs). Die Jonas-Geschichte ist hegelianisch: die Geschichte des Absoluten und des Weltgerichts, zu der dann aber die Enttäuschung und der Ärger des Jonas über die Barmherzigkeit Gottes gehört. Wie paßt dazu die Tobias-Geschichte (mit dem Engel, dem Fisch, der Erlösung Saras und dem Untergang Ninives)? Ist die Buchstabenschrift ein Produkt der Herrschaft der Fläche, der Geometrie über die Sprache? Wenn Israel der Augapfel Gottes ist, wer ist dann das Ohr (oder: wer sind dann die Lahmen)? Worauf bezieht sich die Orion-Geschichte (vgl. Donner, S. 75, Anm. 8)? Was hat es mit dem Hyrieus (Vater des Orion) auf sich? Franz Rosenzweig hat durch die Konstruktion des Stern der Erlösung (durch die Sprengung des All, das dreifache Nichts und die konstitutive Bedeutung des „und“) der unio mystica endgültig den Boden entzogen (vgl. auch Cohens Bemerkung, daß die Attribute Gottes Attribute des Handelns, nicht des Seins sind, und Levinas‘ Hinweis auf die Ethik als prima philosophia: die unio mystica ist die Besiegelung der Kapitulation vor der Ontologie).
12.4.1994
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie
Schreibe einen Kommentar