Die „Rituale der Schuldgefühlsabfuhr“ (Heinsohn, Antisemitismus, S. 49) sind längst zu einem Teil der Logik geworden, damit aber fast unangreifbar geworden. Unterscheiden sich die indogermanischen Grammatiken von denen der semitischen Sprachen (die Logik des Begriffs von der des Namens) durch die eingebaute Orthogonalität (Wahrheit als Qualität der Beziehung von Begriff und Gegenstand: von der so bestimmten Wahrheit gilt der hegelsche Satz, sie sei „der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist“)? Ist die Orthogonalität (der logische Kern des Herrendenkens) der Inhalt des Kelches? Hängt nicht die Orthogonalität mit dem Rechten und mit dem Richten zusammen: Das Richtige ist das Gerichtete; eine Richtung aber läßt sich nur in ihrer Beziehung zu anderen Richtungen – und deren Maß ist die Orthogonalität – bestimmen. Das die Welt konstituierende Gericht ist der Raum, die erste Gestalt des Allgemeinen die Beziehung der Richtungen im Raum. Die Orthogonalität ist der Grund jeglicher Zwangslogik, deren gegenständliche Realität seit Aristoteles unter dem Tite der Metaphysik abzusichern versucht worden ist. Deshalb ist die Grundlage der transzendentalen Logik die transzendentale Ästhetik: das System der subjektiven Formen der Anschauung.
Definition des Absoluten: die Subsumtion Gottes unters Trägheitsgesetz. Schlaraffenland: Ist nicht die Physik der Hirsebrei? Das Schicksal der Habermasschen Philosophie ist der Beweis dafür, daß man Gesellschaftskritik nicht betreiben kann, wenn man Erkenntnis- und Wissenschaftskritik ausblendet (wenn man die Kritik der reinen Vernunft, die ihre Wurzel in der Kritik der subjektiven Formen der Anschauung hat, halbiert). Theologie im Angesicht Gottes ist empirische Theologie, Erfahrungstheologie. Rosenzweigs Konzept der Umkehr (das Bild vom Koffer in der Einleitung zum zweiten Teil des Stern) ist eine Anwendung des Satzes: „Kehret um zu mir, spricht der Herr der Heerscharen, so will auch ich zu euch umkehren, spricht der Herr der Heerscharen.“ (Sach 13) Unum, verum et bonum convertuntur; wäre dieser scholastische Satz nicht so zu berichtigen: Gott soll eins, die Welt soll wahr und die Menschen sollen gut werden? Woher kommen die Galiläer: Juda wurde nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft wiederhergestellt; das alte Israel ist in Samaria aufgegangen; seit wann gibt es Juden in Galiläa, und wie stehen sie zu den Bewohnern Judas und Samarias? Ist der Name der Deutschen nicht die genaue Umkehrung des Namens der Hebräer: Die Israeliten haben sich im Blick der andern als Hebräer erfahren; verkörpern nicht die Deutschen diesen Blick der andern (auch im Hinblick auf sich selbst): Rühren nicht daher ihre Ausländer-Probleme, haben sie diese Stelle nicht selber schon besetzt? Der Grund liegt in der Verinnerlichung der Scham; deshalb war der Lösungsvorschlag zur Neubegründung des Selbstbewußtseins der Deutschen, den Theodor Heuß gemacht hat: den Begriff der Kollektivschuld durch den der Kollektivscham zu ersetzen, so verhängnisvoll. „Wir Deutschen“ (= wir, die Deutschen – anstatt: wir Deutsche): Ist das nicht der präziseste logische Ausdruck der Kollektivscham? Wenn in den semitischen Sprachen die Kopula durch das Personalpronomen der dritten Person ausgedrückt wird, wie hängt das mit dem deutschen Infinitiv „Sein“ (der dem Possessivpronomen der dritten Person sing. mask. gleichlautend ist) zusammen? Kann es sein, daß die indogermanische Sprachstruktur und -logik mit dem Privateigentum an Grund und Boden zusammenhängt, kanaanäischen Ursprungs ist (Hethiter und Amoriter) und ihre Wurzeln in der Idolatrie hat? Ist die Erde der Grund der grammatisch-logischen Struktur der Sprache, der Himmel der Grund ihrer benennenden Kraft: der Kraft des Namens (vgl. den Anfang des Herrengebets: der Vater ist „in den Himmeln“, während Gott Himmel und Erde erschaffen hat, und die Himmel sind sein Thron und die Erde der Schemel seiner Füße; der Tempel aber war das Haus seines Namens)? Ist die Heiligung des Gottesnamens der Ursprung der benennenden Kraft der Sprache? Die Welt hingegen ist alles, was der Fall ist: sie ist diesseits der Sprache, in ihr ist der Name Schall und Rauch, sie ist stumm. Der Begriff verletzt alle drei evangelischen Räte: das Hören, die Armut und die Keuschheit. Die Totalitätsbegriffe stehen unter dem Gesetz des Raumes (Natur oder die Leugnung der Auferstehung und des Hörens), der Zeit (Welt oder die Verwerfung der Schöpfung und der Armut) und der Vergangenheit (Materie und Wissen oder die Trägheit und die Unzucht).
16.4.1994
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