19.8.1994

Zum Ursprung des Neutrum: Nur wenn die Geschlechtlichkeit des Menschen die zweite und dritte Person (die Unmittelbarkeit und die Reflexion) umgreift, ist die Sexualmoral mehr als ein Mittel des moralischen Urteils. Das „als Mann und Weib schuf er sie“ hat eine andere Bedeutung, wenn es nur auf die (vergegenständlichte) dritte Person sich bezieht, als wenn es das Du mit einschließt. Die Neuralisierung der zweiten Person ist der Abgrund, aus dem das moralische Urteil aufsteigt, während die Herrschaftskritik in ihm sich auflöst, gegenstandslos wird. Die Neutralisierung der zweiten Person unterwirft die Sprache der Urteilsform, macht sie zum Geschwätz, während die Einschränkung der Sexualität auf die dritte Person sie vergegenständlicht, in sinnliches Objekt und Gewalt aufspaltet (und so beide der Sprachfähigkeit entzieht). Hier liegt der Grund, aus dem die Frauenfeindlichkeit und der Sexismus der Bekenntnislogik sich herleitet.
Adam erkannte sein Weib: Ist dieser Satz nur im Hebräischen möglich, ist er nicht unübersetzbar?
War die Freudsche Wende (die Leugnung des sexuellen Mißbrauchs von Frauen und Kindern) nicht der Einstieg in die Projektion der eigenen Kastrationsängste auf das weibliche Geschlecht insgesamt? Liegt hier nicht in der Tat der blinde Fleck der Psychoanalyse? Und bezieht sich der Ödipus-Komplex nicht genau auf die Verarbeitung dieses Projektions-Mechanismus: Ist nicht Ödipus, der seinen Vater erschlägt und mit seiner Mutter schläft, Ursprung und Modell des freudschen Mythos von der Urhorde und dem Vatermord? Und ist nicht dieser Vatermord-Mythos (der die Urgeschichte des Christentums nach dem Urschisma symbolisch repräsentiert) die direkte Manifestation dieser Katastrationsängste (und war nicht Freuds Buch über Moses ein symbolischer Vatermord)?
Liegt dem Zölibats-Gesetz nicht eine symbolische Logik zugrunde, die den Kreuzestod (mit der Opfertheologie und dem erhöhten Jesus) mit den Kastrationsängsten verbindet? War nicht die theologische Diskussion, deren Gewaltlösung das homousia war, symbolischer Natur, eine Diskussion, deren Verlauf durch die Verschiebung des Kreuzestodes in den Bereich der Kastrationsängste (dem Grund der Flucht der Jünger) determiniert war: in dem der Kreuzestod als radikalisierte (verinnerlichte) Beschneidung erfahren worden ist?
Gibt es in anderen Sprachen eine Entsprechung zur deutschen Anrede unter Erwachsenen mit „Sie“ (und hat sie etwas damit zu tun, daß im Deutschen die Formen des Femininen als Pluralformen wiederkehren: Folge ihrer Vergegenständlichung, ihrer Transformierung in die dritte Person)? Die zweite Person singular findet nur im Intimbereich (im Privatbereich) und im Verhältnis zu Unmündigen Anwendung. Die Anwendung auf Fremde gilt als Ausdruck der Mißachtung (die zweite Person plural gilt nur als Ausdruck der Verachtung). Merkwürdig, daß im Englischen die zweite Person plural zur allgemeinen Anredeform geworden ist (und die alte Form der zweiten Person singular, das „thou“, verdrängt hat).
Ist nicht der JHWH Elohim Sabaoth, der Dominus Deus Sabaoth, der Herr der Völker-Götter, und sind diese nicht die „Himmelsheere“ (unter Einschluß des Anklägers, des Widersachers)?
In der transzendentalen Ästhetik hat Kant das Prinzip benannt, auf das die gesamte Philosophie verhext ist.
Hängt die Feigenblatt-/Tierfell-Symbolik in der Geschichte vom Sündenfall mit der Geschichte der Opfer des Abel und des Kain zusammen (der Unterscheidung von Pflanzen- und Tier-Opfer)?
Drachenfutter: Im Auslands-Report werden die Informationen aus der Dritten Welt so zubereitet, daß es dem Zuschauer möglich ist, die Katastrophen, zu deren Urhebern er gehört, nachdem sie mit dem Salz der Empörung gewürzt und im Kessel des Vorurteils aufgekocht wurden, im Fernseh-Sessel zu genießen.


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