Zu den Konstituentien der Gegenständlichkeit des Vergangenen gehört der Tod, und zwar der instrumentalisierte Tod. Deshalb gehört die opfertheologische Verarbeitung des Kreuzestodes zur Geschichte der Aufklärung.
Die Angst vor der Sexualität ist ein Teil der Todesangst (und die Angst, an den Trieb sich zu verlieren, ist ein Teil der Angst, in der Natur unterzugehen, aus der beruhigenden Gegenständlichkeit der Natur, aus der Absicherung des Selbst durch die vergegenständlichende Gewalt der subjektiven Formen der Anschauung herauszufallen). Aber stark wie der Tod ist die Liebe: Die Wendung, die Rosenzweig diesem Satz aus dem Hohenlied der Liebe gegeben hat, ist befreiend.
Die Höllenangst war die Rache der Bekenntnislogik an der Verräumlichung des Himmels. Und die Vorstellung, daß zum Glück der Seligen im Himmel der Anblick der Qualen der Verdammten in der Hölle gehört, hat sein fundamentum in re in der Sühne- und Strafrechtslogik in der staatlich organisierten Privateigentumsgesellschaft.
Zu den Stabilisatoren der Vergegenständlichung des Vergangenen gehört auch das Strafrecht.
Die Hellenisierung der Theologie ist der Beweis dafür, daß die Bitte „et ne nos inducas in tentationem“ nicht erfüllt wurde. Aber darauf verweist schon das Wort von Getsemane „Vater, wenn es möglich ist, laß diesen Kelch an mir vorübergehen, aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe“.
Durch die Theologie hinter dem Rücken Gottes ist die Religion zur Staatsreligion geworden (zu einem Instrument der Selbstrechtfertigung des Bestehenden). Genau dagegen richtet sich die prophetische Erkenntnis, die Kritik des Götzendienstes und der Hurerei.
(Zur Eingangskontrolle im Hogefeld-Prozeß:
– Die Würde des Menschen ist antastbar;
– Eingangskontrolle als „Beweismittel“, als Instrument der Vorverurteilung;
– Eingangskontrolle als Mittel der Abschreckung der Öffentlichkeit.)
Heute ist das Erkennen selber in die historisch-gesellschaftlichen Unheilsstrukturen verstrickt; es wirkt als deren Verstärker. Der Verstärkungsmechanismus gründet in den institutionalisierten, die Wahrheit ausblendenden Rechtfertigungszwängen.
Solange es noch Zukunft gibt, sind die Pforten der Hölle noch nicht verschlossen. Nur für die, die die Toten vergessen, sind sie verschlossen. Die Kraft des Lösens (die Kraft, die Gefangenen zu befreien) liegt in der Erinnerung, im Eingedenken.
Den blasphemischen Gehalt des Kohlschen Satzes über eine „Versöhnung über den Gräbern“ (der die Aufforderung in sich schließt, die Vergangenheit endlich ruhen zu lassen) wäre innerchristlich erfahrbar gewesen, wenn die freie Erinnerungsarbeit die eigene Tradition bereits aufgearbeitet hätte.
18.3.1995
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