13.8.1995

Die Trinitätslehre ist eine Konstellation von Imperativen, die als prophetische, messianische und parakletische Imperative sich bestimmen lassen. Diese Imperative wurden durch die Transformation der Trinitätslehre in den Indikativ neutralisiert, und diese Neutralisierung durch das homousia besiegelt. Das homousia steht in der Tradition des Alexander, der den gordischen Knoten durchschlagen, nicht gelöst hat. Die Trinitätslehre in ihrer dogmatischen Fassung ist der durchschlagene Knoten.
Wie kommt die Zeugung in die Trinitätslehre? Hodie genui te: Ist die Übersetzung mit Zeugen (die dann in die Trinitätslehre mit eingegangen ist) nicht ein patriarchalisches Konstrukt? Aber auch Buber übersetzt Ps 27 mit „Mein Sohn bist du, selber habe ich heut dich gezeugt“ (mit einer Perfektbildung (!) von „zeugen“), Dt 3218 hingegen mit „Den Fels versäumtest du, der dich gebar (statt „zeugte“), vergaßest Gottheit, die mit dir kreißte (statt „gebar“, das Ganze übrigens im Imperfekt)“. (Zu „Gottheit“ vgl. die Beilage zum ersten Band der Buber/Rosenzweigschen Bibelübersetzung: Zu einer neuen Verdeutschung der Schrift, S. 30f.; im hebräischen Text steht demnach wahrscheinlich ‚el.)
Muß nicht beim theologischen Gebrauch des Begriffs der Zeugung mit deutlichen Konnotationsverschiebungen gerechnet werden, wenn im Griechischen der Begriff der Natur (physis) aus der Zeugung (dem phyein) sich herleitet (das Zeugen demnach in einen deutlichen kosmologischen Zusammenhang gerückt wird), im Lateinischen hingegen aus dem Geborenwerden (natura, nasci – mit einer deutlichen Verschärfung des patriarchalisch-imperialen Zusammenhangs des Begriffs der Zeugung durch Trennung von einer Natur, die, nach Unterwerfung unter das männliche Prinzip, das im Begriff der Zeugung sich ausdrückt, nur gebären darf, was zuvor gezeugt wurde)?
In welcher Beziehung steht die Zeugung zum Namen (die Trinitätslehre zur Sprache)?
Wird mit dem Konstrukt der Trinitätslehre nicht die bennennde Kraft der Sprache neutralisiert, verletzt die Trinitätslehre nicht das Gebot der Heiligung des Gottesnamens (und ersetzt sie es nicht durch die Selbstheiligung des Denkens, der Mathesis, der Logik der Schrift), schneidet sie nicht die Sprache von ihrer Wurzel ab?
Die Trinitätslehre neutralisiert die Asymmetrie der Verantwortung durch Universalisierung: Sie macht die Last zum Joch.
Der Indikativ fixiert die Rolle des passiven Zuschauers (er gehört zu den Konstituentien der subjektiven Formen der Anschauung), die Abstraktion von der tätigen Teilnahme an den Dingen, Ontologie als Abstraktion von der Ethik, die in Wahrheit die prima philosophia ist. Die Trinitätslehre macht diese Abstraktion zum Kern der Theologie. Deshalb ist die Trinitätslehre (das Dogma) der Greuel am heiligen Ort (vgl. Ez 8): der Wächter vor dem Tor der Lehre, die Verweigerung der Heiligung des Namens Gottes, der veranderte, in sein Anderssein transformierte Gottesname.
Der entscheidende Einwand gegen das trinitarische Dogma: Es ist ein Produkt der Theologie hinter dem Rücken Gottes und zugleich ihre selbstreferentielle Legitimation.
Verweist die Zeugung des Sohnes (die das Konstrukt der homousia nach sich zieht) nicht auf die Verstrickung des Vaters in den Gattungsprozeß, der für die Zeugung eines Sohnes, der ihm wesensgleich ist, nach mythischer Logik mit dem eigenen Tod zahlen muß? Deshalb mußte auch der Sohn sterben.


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