Der Weltbegriff ist das Produkt einer Transformation der Schicksalsidee: Die Welt läßt sich als der Inbegriff aller Begriffe bestimmen; der Begriff aber ist ein Produkt der Verinnerlichung der Schicksalsidee. Die Form des Schicksals wird in der Form des Begriffs gleichsam instrumentalisiert, sie reproduziert sich in der Beziehung des Begriffs zum Objekt.
Wie die Prophetie (die Offenbarung) aus der Kritik der Schicksalsidee sich herleitet und bestimmt, so die Apokalypse aus der Kritik des Weltbegriffs. Während die Prophetie (und nicht die Aufklärung) als Widerpart des Mythos, als das Element seiner Auflösung, sich begreift, läßt die Apokalypse als Widerpart des Weltbegriffs (des Staats, der Philosophie und des Rechts) sich bestimmen.
Die beiden Bedeutungen des Seins (die dem Infinitiv zugrundeliegende Hypostasierung der Kopula im Urteil und das Possessivpronomen der dritten Person singular, männlich) reflektieren die Beziehung der Philosophie und des Rechts zum Weltbegriff.
Hängt die Übersetzung von tän hamartian tou kosmou (mit der Sünde im Singular) in peccata mundi (Sünde im Plural) mit der lateinischen Sprachlogik (mit der gleichen Logik, die auch in der Übersetzung von kosmos in mundus und physis in natura sich ausdrückt: mit dem Übergang von einer vordogmatischen in eine nachdogmatische Sprachlogik) zusammen?
Wie präsentiert sich die Venus-Katastrophe im griechischen Mythos? Liegt dem, was Velikovsky e.a. die Venus-Katastrophe nennen, im Zusammenhang mit einer gesellschaftlichen Naturkatastrophe ein sprachgeschichtlicher Paradigmenwechsel zugrunde? Hängt die Geschichte mit der des Ursprungs der indogermanischen Sprache (dem Durchbruch und der sprachlogischen Entfaltung des Herrendenkens) zusammen?
In der christlichen Tradition wurde die Schlange mit dem Weib in eins gesetzt (die „Hure Babylon“ entstammt dieser Tradition): Liegt dem nicht eine Verarbeitung der Ischtar-Astarte-Tradition zugrunde?
Mit der Verinnerlichung der Schicksalsidee entspringt – als dessen gegenständliches Korrelat, als Fundus der projektiven Verschiebungsarbeit – der Naturbegriff (Paradigma der Geschichte der Objektivierung).
Zu den geheimen Voraussetzungen des „All“, das – Rosenzweig zufolge – durch die Reflexion der Todesangst gesprengt wird, gehören die subjektiven Formen der Anschauung: Ohne die totalisierende Einheit des Raumes würde es den Begriff des All nicht geben. Die Raumvorstellung ist der Inbegriff der Abstraktionen, die den Begriff des All konstituieren.
Die Logik des Herrendenkens hat das Verdrängte der Zwangserinnerung der Bekenntnislogik überantwortet. Die Bekenntnislogik (die Umkehr des Schuldbekenntnisses) entsühnt in der Tat die Welt, sie hat den kosmos zum mundus gemacht (gereinigt). Ist die Schuldreflexion (die Auf-sich-Nahme der Schuld der Welt) der Schlüssel zum Verständnis der Apokalypse?
Als Habermas die Naturspekulation aus der Philosophie ausgeschieden hat, hat er da nicht die Sprache ihrer Wurzel beraubt? Seitdem gibt es – insbesondere im Zusammenhang seiner Kommunikationstheorie, seines Konzepts des „herrschaftsfreien Diskurses“ – bei ihm Texte, deren appeal dem technischer Gebrauchsanweisungen immer mehr sich anzugleichen scheint. Der herrschaftsfreie Diskurs ist ein Alibi für die Diskriminierung der Reflexion von Herrschaft.
Unterscheiden sich die beiden Stellen, an denen in der Schrift dem Himmel und der Erde die Attribute „wie aus Eisen“ und „aus Erz“ zugesprochen werden (und die invers aufeinander sich beziehen, vgl. Lev 2619 und Deut 2823), auch noch durch andere Konnotationen?
18.11.95
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