22.12.95

Der Stern der Erlösung beginnt mit der Todesangst und endet mit der Konstruktion des Angesichts. Levinas hat erstmals im Gesicht des andern die Verkörperung des Gebots: du sollst nicht töten, erkannt (Grund der Verworfenheit und der Dekonstruktion jedes Fahndungsplakats).
In jedem Gesicht erkennt sich Gott; im Paßfoto und im Fahndungsplakat, in ihrer identifizierenden Gewalt, erkennt sich der Staat.
Der Staat ist nicht der „sterbliche Gott“, sondern die Sterblichkeit Gottes; sein Lebensgrund ist das von der Barmherzigkeit, vom Atem Gottes, getrennte strenge Gericht: der Erstickungstod Gottes.
Hängt nicht die Geschichte vom Feigenbaum zusammen mit dem Levinas’schen Satz, daß die Attribute Gottes im Imperativ, nicht im Indikativ stehen? Nach der Interpretation des Johannes Scottus Eriugena wäre das Feigenblatt das Symbol des in den Indikativ übersetzten Gebots (die Logik dieser Übersetzung ist die Bekenntnislogik). Der Feigenbaum, der nur Blätter, keine Frucht trägt, wäre dann das Dogma, die indikativische Theologie, die Theologie hinter dem Rücken Gottes: Diesem Feigenbaum gilt die Verfluchung (deren Folgen Petrus dann erkennt).
Ist nicht der Levinas’sche Satz über die Attribute Gottes der Schlüssel zum Verständnis des Jesus-Worts über die Sünde wider den Heiligen Geist? Die Übersetzung des Imperativs in den Indikativ, die Universalisierung der Theologie, die Verwandlung der Lehre in eine theoretische Wahrheit: Das wäre dann die Sünde wider den Heiligen Geist, die weder in dieser, noch in der zukünftigen Welt vergeben werden kann.
In der Schwierigen Freiheit zitiert Levinas einen Satz aus dem Talmud, wonach die Prophetie auf die messianische Zeit sich bezieht, während die zukünftige Welt etwas ist, was noch kein Auge gesehen hat.
Das Inertialsystem hat im wörtlichen Sinne den Himmel ausgelacht.
Adornos Kritik der Verdinglichung ist die Kritik des desensibilisierenden Kerns der Hegelschen Logik: Der Kern der Hegelschen Logik ist der Dingbegriff.
Zur Genese des Nationalismus: Der Preis für die Rezeption des Weltbegriffs ist die Identifikation mit dem Staat. Der Weltbegriff ist die Tarnkappe des Staats; als Prinzip der Vergegenständlichung der Welt wird der Staat selber entgegenständlicht; er wird in den blinden Fleck der Vernunft gerückt und somit unsichtbar. Der Weltbegriff ist die automatisierte Rechtfertigung des Bestehenden, er ist das Produkt einer List der Vernunft, die Herrschaftskritik gegenstandslos macht.


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