15.1.96

Habermas‘ Begriff des kommunikativen Handelns steht unter einem Objektivitätsdruck, der das Handeln gleichsam apriori in institutionelles Handeln verwandelt. Nicht zufällig entspricht die Aufteilung in objektive, soziale und subjektive Welt der Beziehung von Ökonomie, Verwaltung und Kultur. Ist nicht der Begriff des kommunikativen Handelns eine Weiterbildung des Begriffs der Öffentlichkeit, deren Strukturwandel einmal Thema der Habermasschen Habilitationsarbeit war (und bei dem auch schon ein verdinglichter Realitätsblock als Korrelat der Information vom Raisonnement, dem Bereich der subjektiven Meinung, deutlich unterschieden wurde)?
Durch den Begriff der objektiven Welt (und seine Unterscheidung von der sozialen und der subjektiven Welt) ist die Logik des „kommunikativen Handelns“ schon vorentschieden. Bezeichnend, daß
– eine Theorie des Geschwätzes (die auch eine Gestalt des kommunikativen Handelns ist) ebenso fehlt wie eine Diskussion des Vorurteils (z.B. der Studie über den autoritären Charakter),
– das Problem der Objektivität (der Sprachlogik des Indikativs) unreflektiert bleibt (daß die Objektivität im Kontext des zweckrationalen Handelns sich auskristallisiert, wird bemerkt, aber die Konsequenzen bleiben unreflektiert),
– das Problem des „falschen Bewußtseins“ ebensowenig angesprochen wird wie das der Rationalisierung (deren Begriff durch Übertragung auf den Bereich der Rationalität, so als wäre diese ein Produkt von Rationalisierung, verwischt wird).
Welche Bedeutung hat eigentlich die Horkheimersche Bemerkung, wonach der Antisemit unbelehrbar ist, für die Konsistenz einer Theorie des kommunikativen Handelns?
Herrschaftsfreier Diskurs: Diskurs der Herrschenden, nachdem die Beherrschten endgültig stumm geworden sind.
Der Objektivitätsdruck ist Ausdruck des Rechtfertigungszwangs, unter dem die Theorie des kommunikativen Handelns steht, so wie der historische Objektivationsprozeß als Teil des Prozesses der gesellschaftlichen Schuldverarbeitung (als Teil der Herrschaftsgeschichte) zu bestimmen wäre.
Eine Theorie des kommunikativen Handelns, die etwas taugt, müßte in der Lage sein, den Faschismus oder den Fundamentalismus (den Holocaust oder den jugoslawischen Bürgerkrieg) zu erklären. Faschismus und Fundamentalismus sind nicht nur „Beispiele“ kommunikativen Handelns, sondern Knotenpunkte, an denen die Logik des kommunikativen Handelns sich demonstrieren ließe.
Grundlage der Konstruktion des kommunikativen Handelns ist ein kastrierter Begriff der Erkenntnis (deren Repräsentant ist das propositionale Urteil, das auf die Sache nur noch äußerlich sich bezieht).
Dem Judentum und dem Christentum hat Habermas den Trieb zur Weltbeherrschung attestiert, während der Islam unerwähnt bleibt. Im Gegensatz zum Islam ist beim Judentum die Unterstellung eines Weltbeherrschungstriebs in jedem Falle unbegründet, sie erinnert nicht zufällig an die antisemitische Tradition.
Die Mordlust (die in einer logischen Beziehung zum Weltbeherrschungstrieb steht) ist ein Produkt der Bekenntnislogik, die im Christentum ausgebildet wurde: Sie ist ein Produkt der Externalisierung der Bekenntnislogik, insbesondere der Opfertheologie, die den Kern der Bekenntnislogik bildet. Skinheads sind die letzten Confessores.
Der Markt und das Tauschprinzip definieren die der organischen Natur aller selbsterhaltenden Institutionen zugrunde liegende anorganische Natur. Bezeichnet in der Entwicklung dieser organischen Naturen die Magie die pflanzliche, der Mythos die animalische Stufe?
Die Frage, ob die Geschichte sich begreifen läßt, die Wolfgang Pohrt im Zusammenhang seiner Kapitalismuskritik stellt, ist nicht einfach mit ja oder nein zu beantworten. Es ist beides darin: Post festum läßt sich die Geschichte begreifen, ist der ungeheure Zwang nachvollziehbar, unter dem der historische Prozeß abläuft. Es gibt keinen affirmativen Begriff der Geschichte, die vielmehr nur als das gnadenlose Weltgericht sich begreifen läßt. Das hebt die gleichzeitige Unbegreiflichkeit der Geschichte nicht auf, die vielmehr das Wesentliche an ihr bezeichnet: Diese Unbegreiflichkeit ist a) der Schutz vor der Verurteilung des Vergangenen, sie entzieht b) jeder Vorstellung, die mit der Gegenwart ihren Frieden schließen möchte, den Boden, Sie hebt das Einverständnis mit der Gegenwart auf und sensibiliert die Erkenntnis. Jede Empörung weist auf diese Sensibilisierung zurück, verrät sie aber zugleich an die Logik des Urteils. Jede Empörung ist ein Instrument der Abwehr, damit aber ein Beweis für die Existenz des Abgewehrten, dessen Inhalt nur dann sich erschließt, wenn man dem Trieb, sich zu empören, nicht nachgibt.
Standesehre: Der Trieb, sich zu empören, ist insbesondere bei Bekenntnisgruppen verbreitet (wobei auch Standesorganisationen dazu neigen, wie Bekenntnisgruppen zu reagieren).
Die subjektiven Formen der Anschauung gründen in der Tradition der Bekenntnislogik: In ihnen vollendet sich die Geschichte der Verinnerlichung des Opfers.
Die Schicksalsidee ist das logische Korrelat des Rechtfertigungszwangs, der Begriff seine erste Verkörperung und das Objekt das telos des Schuldverschubsystems (der Dingbegriff gründet in der Eucharistieverehrung des Mittelalters: im Anblick des die Bekenntnisgemeinschaft begründenden Symbols des entsühnenden Opfers).


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