Was wird aus dem Christentum, wenn man in den kanonischen Schriften und in der Theologie konsequent den Gehorsam durchs Hören ersetzt? Das Hören, wenn es nicht in blinden Gehorsam entarten soll, setzt die Reflexionsfähigkeit voraus. Was aber bedeutet dann das Wort vom „Gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz “ (Phil 28, mit dem Folgesatz: „Daher hat Gott ihn erhöht und ihm den Namen geschenkt, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu sich beuge jedes Knie derer, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind, …“)? Das durchs Autoritätssyndrom verhexte Hören wird blind und am Ende lahm.
Die Blinden und die Lahmen (vgl. die Geschichte der Eroberung Jerusalems durch David): Repräsentieren sie nicht das (verblendende) Tauschprinzip und das (lähmende) Trägheitsprinzip?
Mit dem Stellvertreter-Konstrukt ist das Tauschprinzip in die Theologie eingeschmuggelt worden. Zugrunde liegt ihm die Differenz von Last und Joch (Esel und Rind): das Prinzip, daß ich die Last nicht andern als Joch aufbürden darf. Falsch ist allein die Universalisierung dieses Prinzips, aus dem andere keinen Rechtsanspruch auf Befreiung vom Joch ableiten können. Ist nicht dieses Stellvertreter-Prinzip der Grund der Opfertheologie, die der Kern der Bekenntnislogik ist?
Ist das Stier-Opfer ursprünglich dem Baal zugeordnet? Unterscheidet sich das israelitische Stier-Opfer vom Baal-Opfer nur durch den Ursprung des Feuers? Was bedeutet es, wenn in der Samson-Geschichte (anstelle eines Stiers, eines Widders/eines Lamms oder einer Taube?) ein Ziegenbock geopfert wird?
Alle Opfertiere sind gehörnte Tiere: Haben deshalb der Drache wie auch die beiden Tiere (aus dem Meer und vom Lande) Hörner? Liegt hier der Schlüssel für die unterschiedlichen Kombinationen Hörner/Köpfe/Kronen bzw. „hat Hörner wie ein Lamm und redet wie ein Drache“?
Wenn es im Hebräischen keine Begriffe für Natur und Welt gibt, ist dann nicht das Hebräische eine Sprache der urteilsfreien Erkenntnis? Die so begründete Sprachlogik aber schließt den theologischen Gebrauch von Begriffen wie Allmacht oder Allwissenheit aus. Allwissend ist der Autor im Hinblick auf das Handeln und das Schicksal der Gestalten seines Werks; der ästhetische Genuß des Lesers gründet nicht zuletzt in der Teilhabe an dieser „Allwissenheit“. Der Begriff bezeichnet ein Attribut, das allein ästhetisch, niemals aber theologisch sich begründen läßt. Allwissenheit setzt einen Begriff der Erkenntnis voraus, der auch die Zukunft mit einschließt, einer Erkenntnis, die nur unter der Bedingung der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, das aber heißt: nur als endliche Erkenntnis sich konstituieren läßt.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Institutionen, die nach dem letzten Krieg eine gleichsam explosive Ausdehnung erfahren haben: der Rüstung, der Banken und der Einrichtungen des Strafvollzugs? Ist nicht in allen Fällen das Medium dieser Explosion eines, das man als Industrialisierung beschreiben könnte?
4.4.96
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