Das Glaubensbekenntnis gleicht logisch dem Schuldbekenntnis, das der Ankläger vom Angeklagten fordert. Beide sind durch Umkehr aufeinander bezogen, sie bilden ein System der Reversibilität: Das juristische Schuldbekenntnis und das darauf gründende Urteil machen die Schuld zu einer dinglichen Eigenschaft des Angeklagten und spricht die Welt frei, während das Glaubensbekenntnis den Bekennenden freispricht und die Welt der verdinglichenden Gewalt des Schuldzusammenhangs unterwirft; es macht dem Schuldverschubsystem (dem Objektivierungsgesetz und der Instrumentalisierung) den Weg frei. Das gemeinsame Referenzsystem beider ist der Weltbegriff, das Herrendenken. Es gibt keinen Weltbegriff ohne Opfertheologie, ohne die Logik der „Entsühnung der Welt“.
Der Bekenntnisbegriff begründet den Glauben an die magische Kraft des Urteils, der dem Naturbegriff, der Historisierung der Gegenwart und dem Herrendenken zugrundeliegt. Seine Grundlage ist die Gegenständlichkeit des Vergangenen (die in der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit sich vollendet). Gegen den Bekenntnisbegriff steht die Erinnerungsarbeit, die Fähigkeit zur Schuldreflexion.
Verhalten sich nicht Glaubens- und Schuldbekenntnis zueinander wie Natur und Welt? Und ist nicht die Rechtfertigung eine Art Orthogonalisierung?
12.5.96
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