19.5.96

An der pharaonischen Verhärtung des Herzens läßt sich demonstrieren, daß die Personalisierung das Instrument eines Schuldverschubsystems ist, das heute den Geschichtsbegriff vollständig durchherrscht.
Licht und Finsternis sind keine physikalischen, sondern sinnlich-sprachliche Qualitäten.
Wer sich wundert, daß im biblischen Schöpfungsbericht das Licht vor den Leuchten erschaffen wurde, der glaubt nicht an Gott, sondern ans Elektrizitätswerk.
Physis und natura: Mit der Geburt sind die Schmerzen der Wehen, die, als Schmerzen der Frau, dem männlichen Bewußtsein ohnehin nur von außen zugänglich sind, vergessen und verdrängt, während im Begriff der Zeugung die Lust des Zeugens mit erinnert wird (hat die christliche Theologie mit der Einführung der Zeugung in die Trinitätslehre nicht die Idee des seligen Lebens mit dieser Lust verwechselt?).
Das Gewaltmonopol des Staates ist in dem Augenblick ins Zentrum des politischen Bewußtseins gerückt, als es durch die Ökonomie gebrochen und (dadurch, daß es in den Dienst der Ökonomie gestellt worden ist) instrumentalisiert wurde. Waren Idolatrie und Götzendienst nicht eine Vorstufe dieses Vorgangs, der moderne Nationalismus ihr immanentes telos?
Die kopernikanische Wende und der Ursprung der Philosophie: Hat die kopernikanische Wende die Verinnerlichung der Schicksalsidee nicht auf neuer Stufe (als Verinnerlichung der Astrologie) reproduziert?
Ursprung des Nominalismus: Was mit der kopernikanischen Wende verdrängt wurde, läßt an der Subjektivierungsgeschichte sich ablesen: Nach der Subjektivierung der sinnlichen Qualitäten die Leugnung der objektiven Kraft der Kritik und schließlich die Verwerfung der Objektivität der Schuld (die fortschreitende Destruktion der benennenden Kraft der Sprache).
Die kopernikanische Wende hat das Schuldverschubsystem (auf der Grundlage von Personalisierung und Konkretismus) instrumentalisiert. Hier ist der Punkt erreicht, an dem es keinen Ausweg mehr gibt außer dem einzigen (dem Nadelöhr der Theologie), Joh 129 ins Nachfolgegebot mit aufzunehmen.
Drei Stufen der Hoffnung:
– Kafka: Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns.
– Benjamin: Hoffnung ist uns nur um der Hoffnungslosen willen gegeben.
– Jakobus: Wer einen Sünder (einen Hoffnungslosen) von seinem Irrweg bekehrt (von seiner Hoffnungslosigkeit befreit), der wird seine Seele vom Tode retten und eine Menge Sünden zudecken. (Jak 520)
Hat dieser „Irrweg“ (ho planäs hodos, der Weg des Irrtums) etwas mit dem Sternendienst, mit Astrologie und Astronomie (und diese mit der Geschichte der Bearbeitung der Schicksalsidee) zu tun?
Wiederholt nicht die Astronomie den gleichen Prozeß, den zuvor die Philosophie gegen den Mythos angestrengt hat, indem sie den Eindruck erweckt, daß wir, durch die Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit der Sternenbewegungen, Anteil gewinnen an der Gesetzgebung, Herrschaft erringen über den Himmel? Ist nicht die Astronomie die zweite Stufe der Verinnerlichung des Schicksals, das der Astrologie zufolge in den Bewegungen und Konstellationen der Sterne sich verkörperte und ablesbar schien? Sind nicht Raum und Zeit, die subjektiven Formen der Anschauung, Radikalisierungen der objektivierenden Gewalt des Begriffs?
Nach der Lehre des Islam erschafft Gott die Welt in jedem Augenblick neu (die Schöpfung ist eine reine Demonstration der göttlichen Schöpfermacht), nach jüdischer Tradition erneuert Gott mit jedem neuen Tag die Schöpfung, während nach christlichem Verständnis Gott der Erhalter der Welt ist (die – auch im zeitlichen Sinne – „im Anfang“ erschaffen wurde).


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