21.09.1996

Wenn die sieben Siegel etwas mit den sieben Planeten zu tun haben, ist dann nicht der Himmel das Buch des Lebens, das aufgerollt (abgeschlossen und geöffnet) wird, wenn die sieben Siegel gelöst werden?
Gilt nicht der Satz über den Faschismus, daß die bloße Verurteilung nicht hilft, sondern der Schrecken zu reflektieren ist, auch fürs Patriarchat insgesamt. Und ist die Instrumentalisierung des Schreckens (in der bloßen Verurteilung des Faschismus wie des Patriarchats) nicht die Falle der Urteilslogik? Hat die „Venus-Katastrophe“ etwas mit diesem Vorgang zu tun, und sind die „Planeten“ die kosmischen Repräsentanten dieser Urteilslogik? Sind die sieben Siegel (wie auch die sieben Planeten, die Wege des Irrtums) Ausdruck objektiver Zwänge, die aus der Verdrängung des Schreckens (an den die paulinischen Elementarmächte erinnern) resultieren? Ist die Astrologie eine Urteilstheorie?
Die frühe Kirche hat (nach der Rezeption des Weltbegriffs und nach dem Ursprung der Bekenntnislogik) die dämonischen Elementarmächte der Paulusbriefe zu Engelshierarchien gemacht.
Venus und Merkur sind sonnennahe Planeten, Jupiter und Mars sonnenferne (und auf eine komplizierte Weise auf den Mond bezogene) Planeten. Und gehören Uranos und Pluto auf ähnliche Weise zum Saturn? (Vgl. die Neunzahl der pseudodionysischen Hierarchien: Seraphim/Cherubim/Throne, Herrschaften/Mächte/Kräfte, Fürstentümer/Erzengel/Engel, peri tes ouranias hierarchias.)
Ist Saturn der Planet der Personalpronomina (erste, zweite, dritte Person bzw. m/f/n)?
Läßt die Theologie Martin Bubers aus seiner Übersetzung des Gottesnamens (ER, 3. Pers. m.) sich rekonstruieren: aus der Verwechslung des Gottesnamens mit dem Namen Adams? Rührt nicht daher die Affinität seiner Bibelübersetzung (wie auch seiner Bibel-Interpretation) zum Feudalismus? Hatte nicht schon die Orthodoxie, die dogmatische Theologie, Christus mit Adam, den, der die „Sünde der Welt auf sich genommen“ hat, mit dem Sünder, der nur das Bewußtsein der Sünde verdrängt hat, verwechselt?
Die erst mit dem Dogma entstandene Vorstellung, daß das Reich Christi kein Ende haben wird, heißt eigentlich, daß die Welt unerlösbar ist: die Erlösung wurde ad kalendas graecas vertagt (mit der endlosen Verschiebung seiner Wiederkunft und der Leugnung der Auferstehung). Für die Kirche hatte die Auferstehung mit dem Dogma und seiner Verschmelzung mit dem Bürgerrecht des Imperium Romanum sich „erfüllt“.
Ist das Ganze nicht (im wörtlichen Sinne) eine Wahnsinnsgeschichte (ebenso wie auch die Astrologie eine Wahnsinnsgeschichte ist)? Aber eine, an deren Lösung die Rettung der eigenen Seele gebunden ist?
Die naturwissenschaftliche „Lösung“ des Astrologieproblems, hat den Wahnsinn psychotisiert: Sie hat den Wahnsinn ans Selbsterhaltungsprinzip gekoppelt, an das Prinzip der Vergesellschaftung von Herrschaft. Sie hat die translunarische Welt an die Gesetze der sublunarischen Welt geknüpft, sie hat die untere Welt zur oberen Welt gemacht, aber auf der Schiene der Urteilslogik: der Verdrängung des Schreckens (sie hat damit diese und die zukünftige Welt verraten). Kehren nicht die neuen „kritischen Bewegungen“ (der nach-68er-Bewegungen) wiederum die Urteilslogik (mit der Folge der Verinnerlichung des Schreckens)?
Gegen Kant (und gegen Hegels Logik): Es gibt nicht eine transzendentale Logik (die, in sich selbst reflektiert, zur Idee des Absoluten führt), sondern es gibt sieben transzendentale Logiken. Und deren Repräsentanten sind die sieben Planeten.
Wenn das Bekenntnis das bara verdrängt, so verdrängt es Himmel und Erde, die großen Meeresungeheuer und das Ebenbild Gottes (an dessen Stelle die homousia des vergöttlichten Sohnes tritt). Und dieser Fehler ist nicht dadurch zu heilen, daß das facere im Deutschen mit erschaffen übersetzt wird, es bleibt ein demiurgisches Machen, es verbleibt im Bannkreis der Naturbeherrschung.
Sind die ägyptischen wie auch die apokalyptischen Plagen nicht eigentlich Schrecken (die Objektseite der Urteilserfahrung)?
Die Lösung der sieben Siegel gibt den Blick auf die Schrecken frei (der Faschismus, der diesen Anblick nicht erträgt, erschlägt die, die ihn verkörpern oder ihn laut werden lassen). – Es kann nicht das Ziel sein, daß der Staat sein wahres Gesicht zeigt, sondern es kommt allein darauf an, daß er an den Folgen seines Handelns gemessen wird.
Sind die sieben Planeten nicht ebenso viele Knotenpunkte der Abstraktion und Verdrängung? Hängt ihre Konstituierung und Erscheinung nicht mit dem Problem der Beweislogik (mit dem kantischen Problem des apagogischen Beweises) zusammen, ebenso mit dem Problem der Genesis des pathologisch guten Gewissens (mit der Logik der Schuld): mit dem Problem, auf das sich das Wort Jesu bezieht „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, mit dem Problem der „Wege des Irrtums“ und der Bekehrung des einen Sünders, mit der Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden? Gehört hierzu nicht auch das Väterproblem in den Evangelien? Und hängt die „Heilung der Schwiegermutter des Petrus“ mit diesem Problem zusammen?
Der ungeheuerliche Verdrängungsakt am Ende des letzten Krieges, der doch so „natürlich“ war, wäre endlich aufzulösen. Hierbei wäre die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos eine unentbehrliche Hilfe.
Heute in der FR ein Hinweis auf ein Buch mit dem Titel „Blut. Von der Magie zur Aufklärung“. Es ist offensichtlich ein medizinisches Buch, aber ist es nicht zugleich ein theologisches Buch?
Im Angesicht und Hinter dem Rücken (vorn und hinten): Bezieht sich nicht Rechts und Links auf das Vorn und Hinten des Andern, und das Oben und Unten auf das Angesicht und den Rücken Gottes?
Nur über die Schuldreflexion (für die im Stern der Erlösung die Todesfurcht steht) ist der Verblendungszusammenhang aufzulösen.
Die griechische Sprache verhält sich zur lateinischen wie die (prädogmatischen) subjektiven Formen der Anschauung zum (postdogmatischen) Inertialsystem.


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