22.09.1996

Ägyptische Finsternis: Das Verdrängen des Bekenntnisses in der Gegenwart, in der keiner mehr glaubt, was er bekennt, ist eine Folge des in die Bekenntnislogik eingebauten Vergessensmechanismus.
Im Anfang: Die Schrift kennt nicht die Unterscheidung des zeitlichen und des logischen Anfangs; diese Unterscheidung setzt die Trennung von Natur und Welt (Objekt und Begriff, Schrecken und Urteil, zeitlicher und logischer Ordnung) voraus.
Das (auf den kaiserlichen Konzilien formulierte) Credo unterscheidet sich vom Apostolischen Glaubensbekenntnis u.a. in folgenden Punkten:
– Der auffälligste Unterschied dürfte die Ersetzung des creare durch das facere sein (Reflex des Banns der gesellschaftlichen Naturbeherrschung?),
hinzu kommen:
– die Unterdrückung der descensio ad inferos (eines Artikels, der dem Apostel Thomas zugeschrieben wird),
– das unum (vor: deum, dominum Jesum Christum, sanctam catholicam et apostolocam ecclesiam, baptisma),
– die Umstellung von „gelitten unter P.P., gekreuzigt, gestorben und begraben“ in das sehr merkwürdige „gekreuzigt unter P.P., gelitten und begraben“ (Staats unterstellt hier bloße Schlamperei).
Dem Credo zufolge ist Jesus weder gestorben, noch abgestiegen zur Unterwelt.
Zum lateinischen Credo gehört auch das genitum non factum und das ex patre natum ante omnia saecula. Im Griechischen wird genitum und natum nicht unterschieden, in beiden Fällen heißt es gennetenta. – Was bedeutet saeculum: wird es nicht je nach Bedarf mit Jahrhundert (Weltzeit) und Ewigkeit übersetzt?
Ist das Adjektiv katholisch (wie auch das unum) ein Reflex der Rezeption des Weltbegriffs (dessen zentrale Bestimmungen die Totalität und die Einheit sind)?
Es ist keineswegs sicher, daß die byzantinische Tradition die ältere ist, nur: sie ist die caesarische Tradition. Hat vielleicht das Apostolische Bekenntnis, das historisch durchaus später sein kann, dagegen bewußt auf die ältere Tradition sich berufen?
Gibt es eine griechische Fassung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, oder anders: wenn es aus einer griechischen Vorform entstanden ist, hat es später eine griechische Version der lateinischen Endfassung gegeben (vgl. Kelly, S. 113ff)?
Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben: Ist das nicht die Aufforderung, das Urteil dadurch zu unterlaufen, daß man dem Schrecken sich stellt? – Eines wird nicht mehr möglich sein: aus der Faschismus-Erfahrung durch Historisierung den Schrecken zu bannen. Es wird immer wieder ein Goldhagen kommen, der den Historismus erschüttern wird: An ihren Reaktionen wird man die Historiker dann erkennen können.
Wenn Reinhart Staats „die säkulare Medienwelt mit ihren Publikationen und Propaganda-Institutionen … an das ursprüngliche Wesen des Christentums als einer bekennenden Religion erinnern“ (S. 306), weiß er dann wirklich, wovon er redet?
Sind nicht die innerkirchlichen Spaltungen Vorgänge, an denen man den Ursprung des Planetensystems studieren könnte (lassen sich nicht die abgespaltene jüdische Tradition als Sonne, die Kirche selbst als Mond, die abgespaltene Orthodoxie als Jupiter, der Islam als Mars, sowie Merkur und Venus als Aufklärung und Kultur („Kunst“) verstehen)?
Die Planetenwelt ist der Beweis, daß Newtons absoluter Raum ein siebenfacher (kein einfacher) Raum ist?
Ist es nicht ein ungeheurer Gedanke, daß die Metalle, aber auch die inneren Organe der Tiere und Menschen auf die Konstellation der Planeten verweisen (ist die Deszendenztheorie eine auf die Welt der Planeten begrenzte Kosmogonie?).
Kein Mitleid mit Jona: Wichtiger als die Frage, wie es mit Jona weitergegangen ist, ist, scheint mir, die Frage, was mit Ninive geschehen ist, nachdem es nicht zerstört wurde. Kann es sein, daß die „Zerstörung Ninives“ gerade darin bestand, daß alles einfach nur weitergegangen ist?
Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns: Gewinnt nicht der zweite Teil dieses Satzes ein umso größeres Gewicht, je mehr wir versuchen, ihn zu verdrängen?
Erinnerungsarbeit: Surfen im Internet der Logik.
Das Sparprogramm der Bundesregierungen überzeugt vor allem alle die Hausbesitzer: Auch sie haben sich einmal beim Hausbau übernommen und sind jetzt gezwungen zu sparen.


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